: Feiertägliche Erscheinungen
■ betr.: „Feierabendpolitik“, taz vom 23.12.94
Lieber Gerd, in Deinem Kommentar zum PDS-Angebot, sich in Berlin an einer Regierung zu beteiligen, vermißt Du eine Äußerung von unserer, der Abgeordnetenseite. [...] Ist Dir eigentlich nicht aufgefallen, daß sich sowohl unser Fraktionsvorsitzender Wolfgang Wieland unter der Zwischenüberschrift „Grüne antworten auf Biskys Angebot“ in der taz vom 21.12. zum Vorstoß der PDS als auch ich für den Fraktionsvorstand am selben Tag in der Abendschau geäußert haben? Von feierabendlicher Runde kann da wohl keine Rede sein, eher scheint mir Dein Kommentar Ausdruck einer gewissen weihnachtlichen Horror-vacui- Stimmung zu entspringen, die gern noch ein kleines Sensatiönchen verbraten, ein politisches Feuerwerkchen abgebrannt sehen will.
Ich kann das nachfühlen. Das sind nicht feierabendliche, sondern feiertägliche (Entzugs-)Erscheinungen, die sich da ankündigen. Daher ein Tip: Wie wäre es, wenn sich die taz die praktische Politik der PDS, dort wo sie bereits politische Verantwortung trägt, vorknöpft und sich einmal in die Niederungen der Bezirke begibt? Damit könntet Ihr einen wesentlichen Beitrag zur Beseitigung des revolutionären Mythos dieser Partei und zur Vorantreibung der Diskussion über eine Koalition mit ihr leisten. Denn die PDS – und das macht neben ihren immer noch gehaltenen Stasi-Leuten einen der Hauptauslöser unserer Hemmungen aus, sie uns als Koalitionspartner vorzustellen, die PDS ist doch wie die katholische Kirche: sie verspricht das Himmelreich, allerdings auf Erden, und macht (bis auf ein paar Armenpriester) dort, wo sie die Macht hat, eine konservative und staatstragende Politik.
So sind die PDS-Stadträte der Ost-Bezirke für uns keine politisch verläßlichen, fortschrittlichen Partner. In Marzahn hat gerade unsere Wirtschaftsstadträtin wegen der SPD/PDS-Machenschaften das Handtuch geworfen. In Mitte wird über ihren Konservatismus gestöhnt, in Weißensee habe ich selbst nur Gejammere über den Senat, aber keine eigene Strategie und Gegenwehr erlebt.
Wer einen Partner angedient bekommt, sollte nicht gescholten werden, weil er genauer hinsieht. Die PDS hat begriffen, daß sie ihren Wählern, will sie deren Stimmen bekommen, nicht sagen darf: Wir wollen zwar Euer Kreuzchen haben, aber damit nichts anfangen. Daher das Regierungsangebot. Ich kann die PDS-Wähler nur dazu auffordern, sich die Politik dort anzuschauen, wo die PDS bereits politische Verantwortung übernommen hat. Elisabeth Ziemer,
Bündnis 90/Grüne (AL) / UFV
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