: Scalfaro in jeder Hinsicht verschnupft
■ Linksdemokraten schwenken auf Neuwahlen in Italien um
Rom (taz) – Auch wenn nach dem ungewohnten Wintereinbruch im Süden Italiens tatsächlich hundsgemeine Grippeviren ihr Unwesen treiben, mochte kaum jemand Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro so recht glauben, als dieser die Unterbrechung seiner Konsultationen für eine Regierungsneubildung am Dienstag nachmittag mit einer Grippe begründete. Denn Scalfaro kommt kaum voran – und fast täglich spielen sich neue Coups ab. So setzte Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi am Dienstag abend zu einem Frontalangriff auf Scalfaro an: Wenn der sich unterstehe, ein – verfassungsmäßig absolut zulässiges – „Präsidialkabinett“ zu ernennen, und weiterhin Neuwahlen verhindere, dann sei dies verfassungsfeindlich und ein „glatter Betrug“ am Volk. In jeder Hinsicht verschnupft ließ Scalfaro seine Mißbilligung wissen und legte sich ins Bett. Inzwischen bewegen sich innerhalb der Parteien die Frontlinien: Die Liga Nord scheint endgültig vor einer Spaltungzu stehen. Gegen die Linie ihres Vorsitzenden Umberto Bossi, der Neuwahlen ebenso ausschließt wie eine Rückkehr Berlusconis an die Spitze eines neuen Kabinetts, hat sich ein gutes Dutzend der knapp hundert Liga-Parlamentarier abgesetzt: sie wollen Berlusconi oder eben Neuwahlen. Damit wird die linksradikale Rifondazione comunista zum Zünglein an der Waage: sie könnte mit ihren Stimmen die Dissidenten der Liga bequem ausgleichen. Doch bislang will auch sie Neuwahlen und könnte sich allenfalls mit einem Übergangskabinett einverstanden erklären.
Der überraschendste Schritt kommt jedoch von den Linksdemokraten, die bisher streng gegen Neuwahlen waren: Wenn ein Technokratenkabinett nicht die notwendigen Stimmen im Parlament erhalte, werde es keinen zweiten Versuch geben, sondern Wahlen, erklärte PDS-Chef Massimo D'Alema. Kein Wunder. Hatte D'Alema doch einer in den letzten Tagen von der Parteizeitung L'Unita in Auftrag gegebenen Umfrage entnehmen können, daß derzeit zwar die Neofaschisten, Berlusconis treuester Koalitionspartner, in deutlichem Aufwind sind – Berlusconi selbst jedoch von zeitweilig 30 auf inzwischen 22 bis 24 Prozent abgesunken ist –, und die Linksdemokraten sehen sich selbst bereits nahe daran, ihn zu überholen. Bleibt die Liga auch im Falle von Neuwahlen bei ihrem Nein zu Berlusconi, wäre dessen Chance, eine neue Koalition zusammenzubekommen, keineswegs mehr so sicher. Werner Raith
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