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Berlin schmilzt das Eis

■ Klimapolitik scheitert am Geld / Keine Zusatzmittel für Gebäudesanierung / CO2-Reduzierung unehrlich gerechnet

Wenn im April in Berlin der Weltklimagipfel tagt, will Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) eine mehrere Meter hohe Eispyramide von der Frühjahrssonne abschmelzen lassen. Die Eisschmelze soll den Teilnehmern vor Augen halten, daß bei der Bekämpfung des sogenannten Treibhauseffekts – der Erwärmung der Erdatmosphäre durch wachsenden Energieverbrauch – die Zeit knapp wird. Hassemer selbst aber sollte sich das Schmelzschauspiel auch eindringlich vergegenwärtigen, denn – so meinen die Grünen – Berlins Klimapolitik sei pleite.

Bis zum Jahr 2010 soll der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) halbiert werden, lautet die Selbstverpflichtung der Städte im Klimabündnis, dem auch Berlin beigetreten ist. Das im Dezember vom Senat verabschiedete Energiekonzept sieht aber nur eine Verminderung von Berliner Kohlendioxid um ein Viertel vor. Doch selbst diese Einsparung, mahnt der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Hartwig Berger, wird die Hauptstadt nicht leisten können.

Der Umweltexperte von Bündnis 90/Die Grünen beruft sich bei seiner Kritik auf Zahlen aus dem Hause Hassemer. Seine Verwaltung habe einst ausgerechnet, daß für die Sanierung alter Gebäude in den Jahren 1995 bis 2000 zusätzlich zu den vorhandenen Förderprogrammen 2,85 Milliarden Mark ausgegeben werden müßten und ein 570 Millionen Mark teures Niedrigenergie-Programm für Neubauten aufgelegt werden müßte. Die Energiesanierung im Altbau sei aber ersatzlos gestrichen, im Neubau auf 30 Millionen Mark zusammengekürzt worden.

Überdies habe die Umweltverwaltung die Vergleichszahlen aus dem Jahr 1990 willkürlich verändert. Weil der Winter angeblich zu warm gewesen sei, habe Hassemer einen höheren Strom- und Kohleverbrauch unterstellt und braucht so bis zum Jahr 2010 gut vier Prozent weniger Kohlendioxid einzusparen. Daß trotz einer Zunahme der Autos und Lastwagen in Berlin auf 1,73 Millionen Fahrzeuge (plus 44 Prozent) die Kohlendioxid- Emission um sieben Prozent fallen soll, ist für Berger schlicht „unehrlich“. Der Flugverkehr sei überhaupt nicht berücksichtigt worden, obwohl ein neuer Großflughafen geplant ist und sich laut Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) das Fluggastaufkommen in den kommenden 15 Jahren mehr als verdoppeln soll.

Die Energieeinsparungen bei Industrie und Gewerbe sollen laut Energiekonzept vor allem durch den Ausbau der sogenannten Kraft-Wärme-Kopplung erbracht werden. Doch die neue Stromtrasse zwischen Magdeburg und dem Kraftwerk Reuter widerspreche dieser Absicht. Erstes Ziel des Senats sei nämlich, die Strompreise zu senken. Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und Energieeinsparungen blieben auf der Strecke. Dirk Wildt

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