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Reine Seele und Frieden auf der Welt

■ Jain-Mönch nahm zweihundert Tage lang nur ein wenig warmes Wasser zu sich

Bombay (taz) – Indien, das Land der Asketen: In Bombay hat ein Mönch aus der Jain-Gemeinschaft einen Fasten-Rekord von 201 Tagen aufgestellt. Seit dem 22. Juni vergangenen Jahres hatte der 62jährige Sahaj Muni lediglich zwei Gläser warmes Wasser täglich zu sich genommen. Am Sonntag brach er die Aktion ab. Etwa hunderttausend Menschen sahen der ersten „Mahlzeit“ des Mönchs nach dem Abbruch der Aktion zu: ein Glas Zitronenwasser.

In den letzten Wochen, als sich der Rekordverdacht verstärkte, strömten täglich Tausende zu seinem Aufenthaltsort in einem Vorort Bombays, um von der Ausstrahlung des Heiligen etwas abzubekommen. Massen von Menschen wälzten sich morgens und abends durch die Toreinfahrt des „Mahavir Medical Research Centre“ in Khar, die Hände gefaltet und die Ellbogen auf Angriff gespreizt, während das Ziel ihres Verlangens im ersten Stock regungslos auf einer Pritsche lag. Die weiße Mönchsrobe schimmerte im Halbdunkel wie ein Leichentuch, doch wenn er jeweils kurz aufsaß und sich im Fenster zeigte, schien er im Vollbesitz seiner Kräfte. Die Ärzte bescheinigten ihm am Sonntag beste Gesundheit.

Das Fasten hat eine besondere Anziehung auf Anhänger des Jainismus, die indische Religion, die sich – wie der Buddhismus – als Reformbewegung vom Hinduismus abgespalten hatte. Noch stärker als für die Hindus ist „Ahimsa“, der Schutz allen Lebens, oberstes Prinzip der Jains. Um nicht zu töten, verweigern sie nicht nur Fleisch, sondern auch Eier und Früchte, die unter dem Boden wachsen – Spatenstiche könnten Würmer töten. Mitglieder des Digambar-Ordens gehen noch weiter: sie laufen splitternackt herum, denn im Faltenwurf des Kleids könnten Insekten erdrückt werden. Als Feigenblatt dient ihnen ein Besen, mit dem sie den Boden vor ihnen freiwischen, bevor sie darauf treten.

Das Fasten bewahrt vor all diesen Unfallgefahren, und wer es mit Erfolg tut, hat offensichtlich übernatürliche Gaben. Das gilt, so glauben Munis Verehrer, besonders für diesen Mönch aus dem Punjab. Bereits 1964 begann er mit einem dreiwöchigen Essensverzicht, und seitdem weitet er seine Leistung Jahr um Jahr aus. „Guinness-Buch-verdächtig“ sei Munis Leistung, meinte ein Helfer in Khar, da der offizielle Rekordhalter aus Schottland mit seinen 382 Tagen dauernd vitaminreiche Säfte getrunken habe. Freilich aber sei es Muni nicht um den Rekord gegangen, sondern um das „Atma Suddhi“, die Reinigung der Seele, „und den Frieden auf der Welt“.

Daß er das ernst meinte, davon waren die meisten Besucher überzeugt. Und wie es sich für die als abgebrühte Händler geachteten Jains gehört, nutzten sie die Gelegenheit, um die Verehrung auch in klingender Münze einzufordern. Alles für einen guten Zweck natürlich, wie etwa die Finanzierung von Schulen für obdachlose Kinder und Gesundheitsdienste in den Slums. Inzwischen haben nämlich auch die reichen Jains verstanden, daß der Schutz von Leben auch die Spezies Mensch umfaßt. Ihre Gemeinschaft ist überaus spendenfreudig. Denn für die meisten ist es doch bequemer, sich statt durch Fasten durch karitative Werke den Himmel zu verdienen. Bernard Imhasly

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