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Beamte fühlen sich von allen verfolgt

■ DBB-Jahrestagung: Staatsdiener fürchten "Generalangriff" / Vier Prozent Stellenabbau in vier Jahren / Kanther für Leistungsanzreize in Ämtern / DBB-Werbeaktion soll Beamtenimage aufpolieren

Bad Kissingen (taz/dpa) – Die Beamten gehen in die Offensive: Mit einer Anzeigenserie in Illustrierten und Tageszeitungen will der Deutsche Beamtenbund (DBB) das Image der Staatsdiener verbessern.

„Fakten sollen gegen Vorurteile gesetzt werden“, sagte DBB-Chef Werner Hagedorn gestern zum Abschluß der DBB-Jahrestagung in Bad Kissingen. Den „polemischen Angriffen und überzogenen Klischees“ wolle man „reale Bilder von den Leistungen des öffentlichen Dienstes" gegenüberstellen. Das läßt sich der DBB was kosten: Drei Millionen Mark wollen die Beamten für ihre PR-Kampagne hinblättern, in der die Arbeit von Feuerwehrleuten, Polizisten, Lehrern und Finanzbeamten in Wort und Bild dargestellt werden soll.

Die Werbeaktion ist nötig. Denn auf der gewerkschaftspolitischen Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbundes (DBB) gingen vor allem die Vorschläge von Innenminister Manfred Kanther (CDU) durch die Medien. Kanther hatte am Montag angekündigt, noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf zur Reform der öffentlichen Verwaltung vorzulegen. Der Innenminister hatte sich entschlossen gegeben: Die „weitere Privatisierung öffentlicher Aufgaben“ bleibe ebenso ein Ziel dieser Bundesregierung wie die „Schaffung von mehr Wettbewerbs- und Effizienzbewußtsein“ bei den Staatsdienern und die „Vereinfachung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften“.

Behutsam ist das Innenministerium dabei, einen Gesetzentwurf vorzubereiten, mit dem die „Anregungen“ des noch aus der vergangenen Legislaturperiode stammenden „Perspektivberichts“ der Bundesregierung für den öffentlichen Dienst in die Tat umgesetzt werden können. So will man Leistungsaspekte bei der Beamtenarbeit durch einmalige Geldprämien belohnen, die allerdings in den Behörden wiederum an anderen Stellen durch Einsparungen erwirtschaftet werden sollen. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die Möglichkeit, Spitzenbeamte künftig zunächst nur „auf Probe“ in die Führungsposition zu befördern.Doch wird gleich eingeschränkt, daß dies bei vielen, so Richtern oder Kompanieführern, „die von Anfang an führen müssen“, gar nicht möglich sei. Der weiter zielende Gedanke, alle Führungsämter nur noch auf Zeit zu vergeben, wurde unter dem Druck der FDP ganz fallengelassen.

Stellenabbau ist gravierendster Eingriff

Die in der Koalitionsvereinbarung angekündigte Arbeitskommission „Schlanker Staat“ wurde bislang noch nicht einberufen. Die radikalsten Veränderungen drohen daher im schlichten Stellenabbau. Die Bundesregierung hat das Ziel, in den nächsten vier Jahren 24.000 der insgesamt 600.000 Stellen in den Bundesbehörden zu streichen, also ein Prozent im Jahr. Neben dem Innenminister hatte der innenpolitische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Erwin Marschewski (CDU), und die Ministerpräsidentin von Schleswig- Holstein, Heide Simonis (SPD), via Spiegel, gegen das Beamtentum lamentiert.

Die Rede des Innenministers auf der DBB-Jahrestagung schließlich forderte DBB-Chef Hagedorn zu scharfer Entgegnung heraus: Gerade Kanther und sein Vorgänger Rudolf Seiters (CDU) hätten in den vergangenen Jahren eine „Dienstrechtspolitik von der Hand in den Mund“ (Hagedorn) praktiziert. Und speziell Kanther wolle heute die Beamten auf dem Altar der Sparkommissare opfern.

Hagedorn empfand es jedenfalls als „blanken Hohn“, wenn von Kanther die Fortsetzung des einprozentigen Personalabbaus in der Bundesverwaltung angekündigt werde, ohne daß auch nur eine einzige Aufgabe für die Beamten wegfalle. Das sei, so der scheidende Bundesvorsitzende unter dem Beifall der VertreterInnen von rund 800.000 Beamten und 300.000 Angestellten, „Personalpolitik mit dem Rasenmäher“.

Von der SPD erwarteten die im DBB organisierten Beamten nach den Äußerungen von Simonis ohnehin nichts mehr, „noch nicht einmal mehr solidarischen Beistand bei den anstehenden Tarifverhandlungen“. In der SPD gebe es doch „starke Kräfte“, die gar der Abschaffung des Berufsbeamtentums das Wort redeten, hieß es am Abend im „Wintergarten“ bei den Delegierten. Die Beamten, so wurde auf der DBB-Jahrestagung deutlich, fühlen sich inzwischen von allen Seiten in die Enge getrieben. Auch von den ehemaligen Brüdern und Schwestern der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG).

Angestellte seien billiger als Beamte, hatte die DAG, die einst Arm in Arm mit dem DBB die Tarifauseinandersetzungen mit den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst führte, erst vor Wochenfrist behauptet. Für Hagedorn eine „Kriegserklärung“ an das deutsche Berufsbeamtentum: „Nicht zur Kenntnis genommen wird, daß Beamte während ihrer aktiven Zeit dem Steuerzahler etwa 20 Prozent der Kosten eines vergleichbaren Arbeitnehmers ersparen – unter Einbeziehung der Versorgung immer noch 5 Prozent.“ Das seien die Zahlen „unabhängiger Gutachter“ sagte Hagedorn.

Er konterte damit die Zahlen im „unabhängigen Gutachten" der DAG und gab den in Bad Kissingen versammelten Journalisten auch gleich noch einen dicken Packen „Beweismaterial“ mit auf den Heimweg. Es könne nicht den Beamten angelastet werden, giftete Hagedorn in Richtung Kanther, wenn diese Ersparnisse von 20 Prozent von den öffentlichen Händen nicht zurückgelegt, sondern „verfrühstückt“ worden seien.

Mit einem Toast auf die eigene Profession und der lapidaren Feststellung, daß Innenminister kommen und gehen, das Beamtentum aber „allzeit bestehen“ werde, ist der „Generalangriff“ (Hagedorn) auf die Staatsdiener in Bund, Ländern und Gemeinden allerdings nicht mehr abzuwehren. Das weiß auch Hagedorn. Noch in diesem Jahr will der DBB ein „Reformkonzept Verwaltung 2000“ vorlegen. Darin sollen die Reform-Vorstellungen der einzelnden DBB- Abteilungen zum öffentlichen Dienst gebündelt werden. Klaus-Peter Klingelschmitt

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