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Chadia auf dem Weg der Tugend

■ Ägyptische Schauspielerinnen legen den Schleier an und treten nicht mehr auf. Saudische Produzenten achten auf die religiöse Korrektheit ägyptischer Filme

Jemand fehlte bei dem letzten Filmfestival in Kairo, berichtete der Libération-Journalist Christophe Ayad: „Chadia, die große Chadia, der die Veranstalter in diesem Jahr eine eigene Reihe widmeten.“ Besonders auffällig war Chadias Fehlen bei der Eröffnungsfeier am 28. November. Sie wurde auf die Bühne gerufen, der ägyptische Kulturminister, Farouk Hosni, sollte sie auszeichnen. Aber sie kam nicht – peinliche Stille im Saal.

Chadia, ein großer Star des ägyptischen Kinos, bekannt aus über hundert Filmen, war 52, als sie 1986 fromm wurde. Sie ist eine von über 20 bekannten und weniger bekannten Schauspielerinnen in Ägypten, die sich verschleierten und seitdem das Kino ablehnen. Angefangen hatte es Anfang der 80er Jahre. Zehn Jahre später folgte dann eine regelrechte Islamisierungswelle unter Schauspielerinnen: Soheir Ranzy, Chahira, Hana Sarwat, Hoda Ramzy Nasrine, Soheir al-Bably, Noura und so weiter. Besonders charakteristisch ist der Fall Soheir al-Bably. Sie galt in den 60ern als große Tragödin und wechselte dann ins komische Fach. Mitten in der Theatersaison 1993 – sie spielte die Hauptrolle in der Burleske „Atteya, die Terroristin“ – ließ sie alles stehen und liegen, legte den Schleier an und heiratete einen Islamisten, der „wesentlich jünger und wesentlich ärmer war als sie“ (Ayad) und bereits eine Frau hatte. Soheir al- Bably, heißt es, habe den kommerziellen Mißerfolg der Produktion nicht verwinden können. Pikanterweise erklärt der sich ausgerechnet aus Attentatsdrohungen der Islamisten – denn das Stück nahm das Verhältnis von Islamisten und Staatsmacht auf den Arm. Und eigentlich haben solche Burlesken immer viel Erfolg – saudiarabische Touristen lieben ihren frivolen Reiz.

In dem mystischen Erwekkungserlebnis der Schauspielerinnen spiegelt sich eine allgemeine Tendenz zur Islamisierung des ägyptischen Kinos. Der junge Regisseur Radwan al-Kadchef beklagte im Dezember auf einer Podiumsdiskussion den saudiarabischen Einfluß in der Produktion von Filmen: „Sie sind die neuen Produzenten, und sie zögern nicht, uns ihren Stil aufzuzwingen. Wenn wir mit ihnen über die Drehbücher diskutieren, zeigt sich immer wieder, daß alles, was mit der Freiheit der Frauen zu tun hat, tabu ist. Liebesszenen sind strikt kodifiziert.“ Die Saudis übernahmen die Produzentenrolle in den achtziger Jahren von den Libanesen, deren Kapitalkraft durch den Bürgerkrieg geschwächt war.

Neuerdings zieht sich das saudiarabische Geld aber wieder aus dem ägyptischen Kino zurück, was seiner Qualität, schreibt Ayad, freilich eher zugute kommt. Seltsamerweise hat dadurch auch die Schleiermode nachgelassen. Zwei Schauspielerinnen haben ihn schon wieder abgelegt. Ayad bringt diese neueste Tendenz auch mit den harten staatlichen Repressionsmaßnahmen gegen die Islamisten in Verbindung.

Seif al-Nasr, die den Schleier wiederabgelegt hat, erzählt, daß die Islamisten direkt auf sie Einfluß nahmen. „Es ging mir gerade schlecht. Da sind gewisse Leute auf mich zugekommen, um mich auf den Weg Gottes zu führen. Schockiert war ich dann, als sie mir verbieten wollten, mit meinen christlichen Freundinnen zu reden. Da habe ich entdeckt, daß man mit mir Politik machte.“ Seif al-Nasr dreht wieder.

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