: Abgeordnete in den Sozialpalast!
■ Der Bund lehnt die Planungen für den sozialen Wohnungsbau auf dem Moabiter Werder ab / Braunschweiger Architekturbüro soll Bundeswohnungen jetzt neu planen
In Berliner Sozialbauten, und seien diese noch so schön, ruhig gelegen und ökologisch gebaut, wollen unsere Volksvertreter nicht einziehen. Sie sehnen sich nach Luxusherbergen, roten Teppichen in den Fluren und abgeschlossenen Gärten. Wegen nichts Geringerem riskiert der Bund einen handfesten Krach mit fünfzehn Architekten sowie der Berliner Wettbewerbskammer. Streitobjekt ist das Moabiter Werder nahe des Reichstags, auf dem ab 1996 rund 600 Bundeswohnungen entstehen sollen. Die Pläne für die Wohnkomplexe liegen in der Schublade. Doch die zuständige Bonner Baugesellschaft will diese nicht.
„Nach dem Fall der Mauer haben sich die Bedingungen für den Bund auf dem Moabiter Werder geändert“, sagte Guido Zielke, Leiter der Wohnungsfürsorge des Bundes in Berlin, am Dienstag abend auf einer Diskussionsveranstaltung. Sowohl das vorhandene städtebaulichen Konzept aus Hochhäusern und Flachbauten mit offenen Höfen als auch die „Planungen für den sozialen Wohnungsbau“ wären für den Bund und seine Beamten „nicht akzeptierbar.“ Zwar sei noch keine Entscheidung über einen neuen Bauwettbewerb gefallen. Wohl aber verteidigte Zielke die Beauftragung eines Braunschweiger Architekturbüros, für das Areal schon mal ein neues städtebauliches Konzept auszuarbeiten.
Um ihre Arbeit geprellt fühlen sich nun fünfzehn Architekten. Ein „Skandal“ sei das, zumal das Konzept des Braunschweiger Büros sich an das ihre anlehne. „Wir haben das Moabiter-Werder-Projekt geplant, und nun wird uns verwehrt, es auch zu bauen“, polterte Gernot Nalbach, Sprecher der Architekten. Es sei kein Problem, Architektur und Wohnflächen den Anforderungen des Bundes anzupassen. „Auch Berliner Architekten können das“, funkte Nalbach in Richtung Zielke.
Das Land Berlin hatte 1988 und 1989, nach einem Bauwettbewerb, die fünfzehn Architekten ausgewählt, auf dem Moabiter Werder sechs Hochhäuser und fünf U-förmige Blöcke für 600 Sozialwohnungen zu bauen. Das anspruchsvolle Projekt mit Schulen, Kitas, Parkanlagen und Sportflächen sollte auch ein Beispiel ökologischen Bauens werden.
1991 ging das Projekt an den Bund über, der dort Abgeordnetenwohnungen vorsah. 1993 wurden erst die freistehenden Hochhäuser gestrichen, die nicht in das dichte Spreebogenkonzept von Axel Schultes paßten. Ende 1994 verständigten sich dann Bonn und Berlin auf niedrige abgeschlossene Blöcke und zwei Riegel – entlang der S-Bahn und der Spree.
Schützenhilfe erhielten die Planer von Cornelius Hertling, Präsident der hiesigen Architektenkammer und Ingrid Schellstede, Chefin des Architekten- und Ingenieurverbandes. Während Hertling auf die Intervention beim Bundesbauminsters setzte, forderte Schellstede vom Bund, die Arbeiten der Planer in das neue Konzept miteinzubeziehen.
Die sagen jedoch „alles oder nichts“. Die Berliner Architekten, die „dem Bund immer wieder die Überarbeitung der Entwürfe anboten“, wollen an einem „verwässerten Konzept aus Braunschweig“ nicht mitmachen, so Nalbach. Rolf Lautenschläger
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