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■ BRD-Vietnam: Ein Handelsabkommen besonderer ArtMenschen per Nachnahme

Rücknahme von Menschen nur gegen Cash, Aufnahme von Abtrünnigen nur gegen Entwicklungshilfe — der Deal hat etwas Anrüchiges, den Vietnam da mit der Bundesregierung ausgehandelt hat. Aber derlei Anrüchigkeiten gehören in der Asylpolitik längst zum Geschäft. Bonn selbst hat diese Gepflogenheit einst hoffähig gemacht, als es Honecker die Schließung der Mauer für Asylsuchende mit diplomatischen Zugeständnissen abkaufte. Inzwischen funktionieren auch die Asylbollwerke Polen und Tschechien nur gegen Cash: Jedes Rücknahmeabkommen für zurückgewiesene Flüchtlinge bringt harte Devisen, vornehm Aufbauhilfen genannt.

So gesehen hat das kommunistische Vietnam marktwirtschaftlich clever gepokert, als es jahrelang die Aufnahme seiner Landsleute verweigerte und an finanzielle Gegenleistungen band. Die Staatstragendsten waren es wohl eh nicht, die ihrer notleidenden Heimat den Rücken kehrten, und gute Devisenbringer waren sie auch mit ihren Geldsendungen an die Familie daheim. Warum also nicht Gegenleistungen fordern für dieses kostbare Gut, das Deutschland so dringend loswerden will?

Die vietnamesische Regierung hat Bonn damit aber auch ungewollt an einen selbstgewählten Anspruch erinnert: die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen. Nur: dieses Credo ist stets bloßes Ausweichmanöver geblieben. Selbst wenn sie wollte, so viele Billionen könnte die Bundesbank gar nicht drucken, wie es bräuchte, um Menschen an der Suche nach einem erträglichen Leben zu hindern.

Die westlichen Industriestaaten werden sich mit spärlicher Entwicklungshilfe nicht vor dem weltweiten Flüchtlingsproblem schützen können. Die leibhaftigen Menschen werden sie damit konfrontieren. Das wird auch die Bundesrepublik nach dem Abkommen mit Vietnam zu spüren bekommen. Ein paar Millionen Entwicklungshilfe in die vietnamesische Staatskasse, einige Hermesbürgschaften, nicht ohne Profitinteressen der deutschen Industrie, werden keinen einzigen vietnamesischen Asylbewerber und keinen Vertragsarbeiter zur freiwilligen Rückkehr bewegen. Warum auch, wenn die Abgeschobenen zu Hause weiter das Nichts erwartet? Statt Rückkehrmotivation schafft das deutsch-vietnamesische „Handelsabkommen“ einen Sog in die Illegalität. Wer jahrelang in Deutschland um eine Existenz gekämpft hat, setzt sich nach drei oder fünf Jahren nicht in den Wartesaal, um brav der Abschiebung zu harren. Solange es irgend geht, werden Tausende um diese Existenz ringen, mit legalen und nicht-legalen Mitteln. Die Bundesregierung glaubt, gegen hartes Geld eine Last verkauft zu haben. Tatsächlich eingehandelt hat sie sich einen sozialen Konflikt. Vera Gaserow

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