: Ladenbetreiberin droht Enteignung
■ Charlottenburg will einen angeblichen Schandfleck an der Kantstraße 156 zu einem Platz umgestalten / Eine renitente alte Dame will Gelände behalten / Vorzeitige Besitzanweisung noch in diesem Halbjahr
Eine Eigentümerin, die sich verleugnen läßt („Wir haben kein Interesse an der Presse“), ein CDU-Finanzstadtrat, der von einem „Schandfleck“ spricht – im Herzen Westberlins wird mit Spannung dem Ausgang eines Verfahrens über ein 325 Quadratmeter großes Areal an der Kantstraße 156 entgegengesehen. Was das Charlottenburger Bezirksamt erzürnt, sind zwei auffällige Flachbauten gegenüber dem Theater des Westens: ein nachts knallig leuchtender Sexshop und ein unscheinbarer Schmuckladen.
Die ungleichen Zwillinge verstellen den Blick auf die bald fertiggestellten Geschäfte unter der S-Bahn-Bögen. Ein begehbarer Platz soll nach den Vorgaben des Bebauungsplans in naher Zukunft das Kantdreieck neben dem Kaphag-Neubau schmücken, das im vergangenen Jahr fertiggestellt wurde. Doch Alexandra Zapp und Tochter Katharina, denen das gesamte Gelände gehört und die den Schmuckladen betreiben, weigerten sich jahrelang standhaft, an die Logos – eine Kaphag-Tochter – zu verkaufen. Das Unternehmen sollte es wiederum dem Bezirk zur Platzgestaltung übereignen. Im Herbst letzten Jahres platzte den Verantwortlichen im Charlottenburger Bezirksamt der Kragen: Sie stellten, in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Finanzen, bei der Bauverwaltung einen Enteignungsantrag. Da ein solches Verfahren in der Regel jahrelange Rechtsstreitigkeiten nach sich zieht, sicherte sich der Bezirk zusätzlich ab: Zeitgleich wurde bei der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen ein Antrag auf „vorzeitige Besitzanweisung“ eingebracht. Einem solchen Ansinnen kann laut Gesetz stattgegeben werden, wenn es zum Allgemeinwohl „dringend geboten“ ist und die „Notwendigkeit der sofortigen Ausführung“ besteht.
Finanzstadtrat Helmut Heinrich (CDU) setzt darauf, daß „im nächsten halben Jahr“ eine Entscheidung fällt. Wird Charlottenburgs Wunsch stattgegeben, könnten schon am nächsten Tag die Bagger mit dem Abriß der Flachbauten beginnen. Dann wären die Bauten zwar weg – der juristische Streit wäre aber keineswegs beendet. Bei einer „vorzeitigen Besitzanweisung“ bliebe nämlich das Eigentum zunächst noch bei Frau Zapp, würde ihr dann aber zu einem späteren Zeitpunkt mit großer Wahrscheinlichkeit entzogen werden. Sollte sie dann vor Gericht ziehen und in einem Hauptsacheverfahren siegen (letzte Instanz wäre der Bundesgerichtshof), könnte Charlottenburg zum Schadenersatz oder im allerschlechtesten Fall sogar zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gezwungen werden.
Rund 20 Enteignungsverfahren, etwa für Straßenverbreiterungen, Schulbau oder ein Unterführungsprojekt für den Spandauer U-Bahn-Bau – sind derzeit bei der Bauverwaltung anhängig. Die Zahl der Anträge hat sich in den letzten Jahren deutlich verringert. Die Hochphase der Enteignungen war während des Baus der Stadtautobahn vor über 20 Jahren. In aller Regel, so erklärt Generalreferent Horst Elle von der Bauverwaltung, seien in der Vergangenheit die Enteignungsanträge positiv entschieden worden. Am langwierigsten ist die Erstellung eines Gutachtens durch den Ausschuß für Grundstückswerte. Es dient als Grundlage für die Bemessung des Wertausgleichs, die als Entschädigung bei jeder Enteignung festzusetzen ist. Das aus einem Landesbeamten und Vertretern der freien Wirtschaft zusammengesetzte Gremium, so Elle, brauche „in der Regel ein dreiviertel bis zu einem Jahr“ zur Erstellung des Gutachtens.
Finanzstadtrat Heinrich glaubt ohnehin, daß Alexandra Zapp besser ihr 325-Quadratmeter-Gelände an die Logos verkauft hätte. Mittlerweile, so der Christdemokrat, seien auch die Grundstückspreise in Charlottenburg wieder gesunken. Hätte sie vor zwei bis drei Jahren zugeschlagen, „stünde sie heute mit einem weitaus besseren finanziellen Ergebnis da als mit der Entschädigungssumme nach einem möglichen Enteignungsverfahren“. Severin Weiland
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