Auf der Neustadt-Piazza

■ Pläne für eine runderneuerte Pappelstraße: Mehr Straßentrubel, weniger Blech und werbewirksames Grün/ Modell der Hochschule

Vom neuen Ristorante aus, droben im Bunker, gibt es den herrlichsten Ausblick auf die neue Pracht der Pappelstraße: Straßencafés schenken Wein und Pizza aus; Grün prangt anstelle oller Baulücken; die wenigen Autos parken höflich in der Straßenmitte, wo die frischgepflanzte Pappelreihe gerade aufblüht. „Italienische Verhältnisse“ in der Bremer Neustadt, sowünscht es sich Ortsamtsleiter Fischer. Und mit ihm die Kaufleute des Quartiers. Ihr Wunschtraum hat jetzt, nach acht Jahren des fruchtlosen Klagens, eine Form gefunden: Studierende der Hochschule Bremen stellten gestern einen ersten Entwurf für die langgehegte Umgestaltung der Pappelstraße vor. Trotz vieler utopisch anmutender Ideen und italienischer Luft im neuen Modell halten sie es für machbar, ebenso der Ortsamtsleiter, und die Kaufleute finden alles gleich ganz „faszinierend“.

Und das, obwohl sie den Studierenden eigentlich nur eine „verkehrsberuhigte Geschäftsstraße“ aufgetragen hatten. Hauptsache, der lästige Schwerlast- und Schleichverkehr bleibt draußen, der „Kundenverkehr“ aber drinnen. Schließlich könne die Straße mit „rund 60 Fachgeschäften“ aufwarten. Inmitten die Budenhändler auf dem „Delmemarkt“, dem „zweitstärksten Markt in ganz Bremen“ (Fischer). Der soll sich zu einer wahrhaftigen Piazza wandeln, wenn alle Wünsche wahr werden. Weit in den bisherigen Straßenraum möge sich das Markttreiben ergießen und noch mehr kleine Händler anziehen; der „Comet“-Markt, dessen weißgekachelter Plattenbau derzeit noch die einzige markante Platzeinfassung bietet, könnte ringsum begrünt werden – warum nicht noch ein Obst- und Gemüsemarkt obendrauf, fragen die Studenten?

Platz für solche Ideen soll ihre Zentralidee schaffen: Die Aufhebung aller Bordsteine und Kanten. Wie „auf einer großen Bühne“ sollen Fußgänger, Radler und auch ein paar Autofahrer sich bewegen; so erklärte Boris Dontscheff namens der studentischen „Planungswerkstatt“ es den Kaufleuten. Statt Bürgersteig: je fünf Meter Platz links und rechts, farbig von der schmalen Fahrbahn in der Straßenmitte abmarkiert. Die avisierten Straßencafés und sonstigen Nettigkeiten sollen dann in die neuen Freiräume vorstoßen. Was es so alles in der Pappelstraße gibt, soll nicht mehr nur hinter Schaufenstern, sondern auf offener Straßen hergezeigt werden, pergolaumrankt.

Die alten Baulücken schließlich, die „schwarzen Löcher“ der Häuserfluchten, sollen mit viel Grün geschlossen werden. Die grünen Hinterhöfe könnten „nach vorn gezogen“ werden, sagt Dontscheff. Ab und an soll gar auch ein „Grünlogo“ die Lücke füllen: Werbeschilder in Pflanzenform, für Kaufmann Kopp, den Optiker, „vielleicht eine große, grüne Brille“.

Doch solch hübsche Details, wie auch die Idee einer Gastwirtschaft unterm Dach des Bunkermonstrums („den nennen wir dann ,Tower'“), werden die anstehende Debatte wohl kaum bestimmen. Schon bei der ersten Präsentation hagelte es Fragen, ob die gewünschte Verkehrsführung denn überhaupt realistisch sei – im direkten Nebeneinander von Autos und Fußgängern hätten Letztere doch wohl eindeutig die schwächere Position. Ja, schon, räumten die Jungplaner ein; da müsse man eben das „social behaviour“ ändern und sich allmählich umgewöhnen. Wie überhaupt die neuen Freiräume „sanft erobert“ werden müßten.

Gleichviel: Die weitverzweigte Wunschvorstellung soll auf jeden Fall in die akute Planung einfließen. Daran arbeitet derzeit das Planungsbüro Schmüll/Haller namens des Bausenators – jenes Team, das sich zuletzt an der City-Planung vergeblich die Zähne ausbiß. Am 26.1. wird ihr Gutachten dem Neustädter Beirat vorgestellt; das Modell der Studenten hätten die Planer bereits besichtigt. Und auch am „Arbeitskreis Pappelstraße“, den das Ortsamt ins Leben rufen will, werden die Studenten beteiligt sein.

Die derzeit noch frei umherschweifenden Ideen sollen zumindest in Teilen schon in diesem Jahr an Ort und Stelle umgesetzt werden, sagt Amtsleiter Fischer. Bauarbeiten stehen den Pappelstraßenleuten nämlich so oder so ins Haus: Der alte Mischwasserkanal unter der Straße ist brüchig, teils sickert das Wasser schon in den Boden – „ab dem Frühjahr“ müßten die Reparaturtrupps der Entsorgungsbetriebe anrücken. Wenn dann wenig später die Fahrbahn schon wieder aufgerissen werde – diesmal, um die ersten Schritte in Richtung italienischer Promenade einzuleiten – sei das den übrigen Anrainern kaum zu vermitteln.

Denn auch mit dem Kanal haben die Studenten was Nettes vor. Das Wasser soll frei fließen, schön in der Straßenmitte – schleißlich, so arguiemntierten die Studenten, liege zu beiden Seiten der Pappelstraße ja das „Flüsse-Viertel“. Da soll es dann auch veritabel plätschern, um die Neustadt dann endgültig auf maritim zu trimmen. tw

Das Modell der studentischen „Planungswerkstatt“ ist ab heute in der Sparkassen-Filiale Pappelstraße ausgestellt