: Hinten nicht ganz sauber
■ ÖKO-TEST: Feuchtes Klopapier kann zu Entzündungen am Arsch führen Alles für den Allerwertesten
Afterjucken, das Gefühl, hinten nicht ganz sauber zu sein, quält. Da gab es doch ...? Genau: die feuchten Papierchen in den Plastikboxen. Doch sie können dank Konservierern, Bleichrückständen und Parfüms Entzündungen so richtig anheizen.
Die Römer wußten sich mit einer Art Klobürste zu behelfen, einem Stock mit einem Schwamm, der in einem mit Salzwasser gefüllten Eimer stand. Das gemeine Volk bediente sich aus der Natur: Gras, Wasser, Sand und Stroh, ja selbst ein flacher Stein sind als abendländische Hilfsmittel für „danach“ überliefert. Im Mittelalter griff man zu Leinwandfetzen. Die Maitresse des Sonnenkönigs soll sanfte Schafwolle, die Dubarry spitzenbesetzte Tüchlein bevorzugt haben.
Mit der Verbreitung des Zeitungswesens kehrten andere Sitten auf dem stillen Örtchen ein. 1870 kam die Toilettenrolle in den USA zu Patent-Ehren. Gut hundert Jahre wird das Papier in Form feuchter Tüchlein von der Firma Hakle eingeführt. Heute verkauft die Hygieneindustrie davon jährlich mehr als 1,4 Milliarden Stück und setzt mehr als 75 Millionen Mark um.
Wer sich diesen Beitrag gerade in passender Umgebung zu Gemüte führt, dem sei ein Ortswechsel empfohlen. Denn wer sich länger als nötig auf den stillen Ort zurückzieht, kann seine Beckenbodenmuskulatur überlasten. Der Schließmuskel wird geschwächt, Hämorrhoiden können durch übermäßiges Pressen wachsen. Deshalb: Nach dem Geschäft möglichst bald abwischen, eventuell mit Wasser reinigen – und das Abtrocknen nicht vergessen!
Wer diese Regeln beachtet, habe schon einiges für die Gesundheit des Analbereichs getan, sagt Dr. Bernhard Lenhard, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie, die sich mit Enddarmkrankheiten befaßt. Lenhard rät zwar nicht generell von feuchten Toilettenpapieren ab. Die Reinigung mit frischem Wasser sei aber allemal besser, „als wenn man diese empfindliche Region irgendwelchen Substanzen aussetzt, die auf das feuchte Papier aufgebracht worden sind“.
Daß reichlich davon in den feuchten Papieren stecken, zeigen die aktuellen Ergebnisse eines ÖKO-TESTs. Das Magazin nahm 13 nasse Papiere unter die Lupe – und kann keines empfehlen. Gesundheitsschädliche halogenorganische Verbindungen aus Konservierungsstoffen oder der Chlorbleiche sowie bedenkliche Polyethylenglykole oder deren Abkömmlinge spürten die Labors auf. Kein Hersteller hat umweltfreundliches Altpapier verwandt. Alle Zellstoff-Tücher waren obendrein gebleicht und parfümiert.
„Man muß den Hintern nicht ununterbrochen säubern, wenn man es schafft, daß am Toilettenpapier Stuhlspuren bleiben“, sagt Professor Franz Daschner, Direktor des Freiburger Instituts für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene. Dann reiche es aus, sich einmal täglich gründlich zu waschen. Wichtig ist nur, daß die Haut nicht längere Zeit mit Kot in Berührung kommt. Er enthält aggressive Verdauungssubstanzen, die die Analhaut andauen und so für Entzündungen sorgen können.
Wer solche Beschwerden hat, greift gern zu den feuchten Tüchern. Doch gerade damit kann das Leiden verschlimmert werden. Allergene können länger auf der angegriffenen Haut haften bleiben und sie leichter durchdringen.
Um rundum sauber zu sein, braucht man die feuchten Klopapiere mit Sicherheit nicht. Wer eine Entzündung hat oder empfindlich ist, sollte sich kurz mit lauwarmem Wasser abbrausen und hinterher immer gut abtrocknen. Alternativ zum fertigen, feuchten Tuch kann man auch ein Papiertaschentuch nehmen und es mit Wasser oder mit einem Babyöl beträufeln. Allerdings ist es wichtig, daß kein dicker Fettfilm zurückbleibt. Es kann auch sein, daß bestimmte Nahrungs- und Genußmittel das Afterjucken oder gar -entzündungen verstärken. Diese sollten dann nur noch in Maßen verdrückt werden. Bei einem kann der morgendliche Kaffee reizen, beim anderen sind es Zitrusfrüchte, die das Brennen verursachen.
ÖTM
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen