: In der ökologischen Sackgasse
■ 1994 sind 40.000 alte Kühlgeräte "spurlos" verschwunden / Der Finanzsenator glaubt, dies sei trotz der neuen Entsorgungsgebühr passiert, Bündnis 90/Die Grünen sehen die Ursache gerade in dieser Gebühr
In Berlin verschwanden 1994 fast 40.000 Kühlgeräte im Nirgendwo. So zumindest ist einer Statistik der Stadtreinigung zu entnehmen. Ursache für dieses Verschwinden könnte die seit dem 1.1.1994 fällige Entsorgungsgebühr von 40 Mark für Elektrogeräte sein. Viele Leute haben offenbar keine Lust, sie zu bezahlen.
Das dem so ist, wird auch in einem Papier des Finanzsenators Elmar Pieroth (CDU) eingeräumt. Darin heißt es, daß „die Veränderung der Zahl der entsorgten Kühlgeräte teilweise auf die Einführung der Entgeltpflicht zurückzuführen ist“. Gleichzeitig werden andere Gründe für diesen Rückgang genannt. So spielten die „Abnahme des Entsorgungsstaus im Ostteil der Stadt und/oder ein geändertes Konsumverhalten“ eine Rolle.
Gegen diese Vermutung spricht allerdings Pieroth selbst, der in dem gleichen Schreiben darauf hinweist, daß die Abgabemenge von Elektroschrott bei der Stadtreinigung generell eher steigend als fallend ist. Die Ursache für diese Steigerung sieht der Finanzsenator darin, daß die Bevölkerung die neue Gebühr akzeptiere.
Die Abgeordnete Judith Demba (Bündnis 90/Die Grünen) hingegen sieht die Entgeltpflicht als eine ökologische Sackgasse an. Ihrer Ansicht nach ist sie ein Grund dafür, daß wieder vermehrt Elektrogeräte illegal entsorgt werden. Beweis dafür sei das auch der Stadtreinigung unverständliche Verschwinden der Kühlgeräte.
So wäre nach Ansicht von Demba eine von allen Haushalten zu entrichtende Abfallgebühr, die zwei bis drei Prozent über der jetzigen liegt, der ökologisch sinnvollere Weg. Dies würde bedeuten, daß Schrott generell wieder umsonst entsorgt und nicht einfach irgendwo abgestellt wird. Dieses Modell wird gerade in Bremen praktiziert.
Auch Pieroth und die Stadtreinigung begrüßen nach eigenen Angaben im Grunde ein solches Modell. Allerdings nur zur „Kostendeckung der Leistungen, die von der Stadtreinigung aus ökologischen und/oder politischen Gründen weiterhin kostenfrei erbracht werden“. Würde diese Gebühr nämlich auch für den Elektroschrott gelten, sähe Pieroth die Stadtreinigung in einem illegalen Wettbwerbsvorteil gegenüber privaten Müllentsorgungsunternehmen. Nach seinen Angaben wäre die Festsetzung einer solchen Gebühr rechtlich nur für solche Leistungen zulässig, die dem sogenannten Anschluß- und Benutzungszwang unterliegen. Dazu gehört eben nicht die Annahme von Elektroschrott, da dieser nicht ausschließlich von der Stadtreinigung entsorgt wird.
Obwohl gerade ein solches Verfahren als Ursache für illegale Schrottentsorgung gesehen werden kann, sieht die Stadtreinigung bei Abwägung sowohl der ökologischen als auch der ökonomischen Gründe „keine Veranlassung, die Einführung der Entgeltpflicht rückgängig zu machen“. Norbert Seeger
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