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Pop-art-Modezeichner

■ Er beeinflußte die Mode am meisten, ohne selbst Modeschöpfer gewesen zu sein / Ein Katalog würdigt den 1987 verstorbenen Modezeichner Antonio Lpez

„Er war das Wunderkind der New Yorker Modeszene. Mit siebzehn Tagesgespräch, mit neunzehn berühmt, und als er 1987 starb, trauerte die Branche weltweit um ihr kreatives, ideenreichstes Allround-Talent.“ So führt der Klappentext des Katalogs, der zur Pariser Ausstellung über den Modezeichner erschien, Antonio López ein. López, besser bekannt als „Antonio“, wilder Modezeichner, arbeitswütig, Inspirator und Zeichensetzer für den Zeitgeschmack, 1943 geboren in Puerto Rico, aufgewachsen in Harlem, befreundet mit Karl Lagerfeld, Paloma Picasso und Andy Warhol, Entdecker von Jerry Jall, Pat Cleveland und angeblich auch von Grace Jones. Paloma Picasso schreibt ihm die Rolle zu, die Mode am meisten beeinflußt zu haben, ohne selbst Modeschöpfer gewesen zu sein. Der Afro-Look, die Mohikaner- frisur und der Ohrring für den Mann sollen auf sein Konto gehen. Vor allem aber läßt sich im Katalog ablesen, daß das (kurzzeitige) Revival der Modezeichnung seiner Feder zu verdanken ist – und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Modemagazine völlig auf die „echtere“ Photographie umgestellt hatten.

1967, als der Modephotograph Tomas in „Blow Up“ die Pop-art- fashion per Foto und Antonioni per Film in die Realität brachte, hatte Antonio seine Zeichnungen längst von der traditionellen, detailverliebten Manier der Modezeichner emanzipiert und das Pop- art-Gesamtportrait geliefert. Für das New York Times Magazine, für Elle, Vogue, Dépèche Mode und den Playboy lieferte er Zeichnungen ab, die gerade noch die Essenz der Kleidung erfaßten, vielmehr aber den Gestus der Zeit und der Modellsitzenden verinnerlicht hatten. Seine Message: Ein Lebensgefühl; die Mondlandung, (Vietnam?)-Panzer, ein knalliges „Boom“, der Fernseher und pop- artige Kirschmünder mit „Love & Peace“-Schriftzügen sind die Zutaten der „Mode“zeichnungen. Flower und Power wirbeln hier, Farben sprühen, Haare wehen, und die Einstellungen verrutschen allenthalben. Verwegen zeichnet Antonio den schärfsten Kommentar zur neuen Minimode: Von unten erblickt das Auge ein unendliches, perspektivisch verlängertes Bein, bis irgendwo im oberen Drittel der Zeichnungen die modische Pracht minimal angedeutet wird. Auch Roy Lichtensteins Comics lassen grüßen, genauso – und hier zeigt sich Antonios Vielfalt – Fernando Léger.

Dann kamen die 70er Jahre, Antonio zog mit seinem Lebenspartner Juan Ramos nach Paris in die Wohnung Karl Lagerfelds, das Bohemienleben führte die Clique in Cafés und im privat gemieteten Zug an die Riviera, während zeitgleich Dennis Hoppers „Easy Rider“-Gestalten per Motorrad bedröhnt durch Antonios Modezeichnungen knatterten.

Doch irgendwann in den 70ern – das offenbart zumindest der Katalog – verliert auch Antonio den scharfen und definitiven Strich. Er schattiert, deutet an, wischelt und verliert sich in der Andeutung. Aus heutiger Zeit wirkt das nicht 70thies-like „in“, sondern sieht nach billigem Kaufhausambiente aus (vielleicht deshalb, weil gerade sie Antonios Stil trivialisiert aufgenommen haben?). Die Männer, die er zeichnet, werden immer mehr zu aalglatten Muskelpaketen, die Frauen wirken nicht mehr eigensinnig-selbstbewußt, sondern arrogant-zickig. Immer wieder ist in den Huldigungen, die Antonios Lebens- und Arbeitspartner Ramos für den Katalog zusammengestellt hat, zu lesen, daß Antonio das „ethnische“ Modell eingeführt habe. Daß seine Models eben keineswegs dem „White Western“- Typus entsprächen – doch davon ist in den Zeichnungen nur wenig zu sehen, gerade sie, die „White Westerners“, starren aus den Zeichnungen.

Dann die 80er. Bei Antonio sind sie zwar wieder konkreter, sie zeigen jedoch, daß er sich im Laufe der Jahre immer stärker an den Gestus der Haute Couture angenähert hat. Vom frechen Aufbegehren gegen das Diktat der Schönheit ist weniger zu sehen. Daran ändern weder die mitunter von Goya oder die „dalinesk“ inspirierten Zeichnungen nichts; erst recht nicht die punkig angehauchten, zackig gemalten Models. Denn auch diese Zeichnungen wirken „fashionable“, zeigen nur, wie verwendungsfähig Punk als Zeichen für den Zeitgeist war – besonders im Kontext der rosenhaft und mondän ausgestatteten „Capucci“-Zeichnungen für Vanity (1983).

So läßt das Spätwerk Antonios Witz, Ironie und Freigeist missen, die rebellische Feder hatte sich offensichtlich nach und nach „abgearbeitet“. Vielleicht aber mag noch ein anderer Grund für diesen Wandel verantwortlich sein. Antonio starb 1987 an Aids. Die offizielle Diagnose lautete damals Krebs, und auch der gut 200seitige Katalog umgeht (rätselhafterweise) die Wahrheit. Nirgends ein Hinweis auf die Todesursache. Bill Cunningham etwa schreibt: „1983 erfuhr Antonio von seiner Krankheit, aber seine Zeichnunen wirkten weiterhin heiter und sorglos." „Heiter und sorglos“? Das mag Definitionssache sein, auf mich jedoch wirken sie nicht so, und vor allem haben sie ihre freche Kraft der Anfangszeit verloren. Das könnte freilich dem natürlichen Alterungsprozeß geschuldet sein, neu ist jedoch eines: die schwarze, fast aggressive Strichführung der Portraitzeichnungen von 1985/1986. Petra Brändle

„Antonio. Drei Jahrzehnte Mode“. Hrsg.: Juan Eugene Ramos. 216 Seiten, 311 Abb. Schirmer und Mosel 1994, 98 DM. Die Ausstellung ist im März im Münchner Stadtmuseum zu sehen und ab 20. 7. im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe.

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