: Der Streibl hat's gegeben – der Stoiber genommen
■ Industrieller muß wegen Rechtsextremismus Bundesverdienstkreuz zurückgeben
Nürnberg (taz) – Manfred Dreher, Industrieller aus dem württembergischen Engelsbrand und Vizepräsident der Vereinigung Mittelständischer Unternehmer, kann sich nicht mehr an seinem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse erfreuen. Er muß den Orden wieder zurückgeben und schuld daran ist der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber.
Dreher hatte das Kreuz an die Brust geheftet bekommen, weil sich der in der Wehrtechnik tätige Industrielle um die bayerische Industrie besonders verdient gemacht habe. Das empfand Stoiber- Vorgänger Max Streibl so, und er schlug den CDU-Mann mit Erfolg beim Bundespräsidenten als Ordenskandidaten vor. Dieser Vorgang erregte kein öffentliches Aufsehen. Max Streibl belohnte seine Amigos mit Orden in Hülle und Fülle, ein nahezu alltäglicher Vorgang also.
Erst zwei Jahre später sorgte Dreher für Schlagzeilen. Ende November 1991 lud der Mitbegründer und damaliger Ehrenvorsitzender der CDU Engelsbrand (Enzkreis) den britischen Auschwitz-Leugner David Irving nach Pforzheim ein. Dort, im Restaurant „Adler“, gab Irving sein revisionistisches Gedankengut vor etwa 100 Zuhörern zum Besten. Er bestritt die Existenz von Gaskammern in Auschwitz. Die seien nur „Attrappen“ gewesen, nachträglich eingebaut als „Touristenattraktion“.
Ein CDU-Funktionär, der so offensichtlich Rechtsextremisten salonfähig macht, das sorgte für Aufsehen und innerparteiliche Unruhe. Der CDU-Kreisverband Pforzheim/Enzkreis strengte ein Parteiausschlußverfahren gegen Dreher an, das bis zum Bundesschiedsgericht der Partei ging. Ergebnis: Dreher durfte in der Partei bleiben, mußte aber sein CDU- Ehrenamt ablegen und sollte sich von Irvings Aussagen in aller Deutlichkeit distanzieren.
An den Orden dachte niemand mehr. Was Bayerns Ministerpräsident Stoiber, angetreten den Amigo-Saustall seines Vorgängers auszumisten, ausgerechnet jetzt bewogen hat, den Bundespräsidenten zur Aberkennung des Dreherschen Orden zu drängen, bleibt sein Geheimnis. Stoiber begründet seine Initiative jedenfalls explizit mit den rechtsradikalen Aktivitäten des CDU-Mannes.
Man darf nun gespannt sein, wo Stoiber als nächstes zuschlägt. Muß jetzt der Ingolstädter Geschichtsrevisionist Alfred Schickel, ebenfalls von Streibl mit Erfolg für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen, um seinen Orden fürchten? Und was ist mit Streibl selbst, der in öffentlichen Veranstaltungen gegen die „multikriminelle Gesellschaft“ wetterte oder „privat“ mit dem damaligen „Republikaner“-Parteichef Franz Schönhuber parlierte? Oder mit dem Münchner CSU-Vorsitzenden Peter Gauweiler, der der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit für Interviews zur Verfügung steht? Herr Stoiber, es gibt viel zu tun. Pack mer's. Bernd Siegler
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