■ Tour d'Europe: 350 Jahre Verbote
Bis zum 17. Jahrhundert hatten die Europäer sich nicht einmal einen Namen für das Inhalieren nikotinhaltiger Dämpfe ausgedacht: Wie Bier und Wein wurde auch Tabak „getrunken“ – in der Pfeife oder als Zigarre. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzten sich Zigaretten durch – zuerst in Spanien und Portugal und dann, vor allem, in den Schützengräben des Krimkrieges: Zigaretten sind handlicher und schneller geraucht. Bis ins späte 19. Jahrhundert sah man in der Öffentlichkeit nur Männer mit Zigarette und Pfeife – rauchende Frauen waren ein Thema für Karikaturen. Tatsächlich nutzten in den Frauenbewegungen Europas Frauen den Griff zur Zigarette als Mittel zur Provokation.
Seit der Verbreitung des Tabaks macht er sich und seine Konsumenten unbeliebt: Bereits im Jahre 1604 wurde in England Tabakgenuß in der Öffentlichkeit verboten. Schweden und Dänemark folgten 1632, Rußland 1634. Bis heute versuchen Regierungen immer wieder, mit Restriktionen die Gesundheit ihrer rauchenden und nichtrauchenden Einwohner zu schützen oder – in früheren Zeiten – die Feuergefahr einzudämmen. Vor zwei Jahren führte Frankreich das schärfste Nichtrauchergesetz Europas ein. Auch in Italien und in skandinavischen Ländern ist Werbung für Tabak verboten. Bei dem Versuch, Tabakwerbung in der EU insgesamt zu verbieten, ist die Brüsseler Kommission bisher immer wieder am Widerstand der Deutschen gescheitert. Denn die sind immer noch groß im Tabakverbrauch: Nach den USA ist Deutschland mit knapp über 200.000 Tonnen jährlich der größte Rohtabakimporteur, gefolgt von Großbritannien und dem 15-Millionen-Einwohner-Land Niederlande. Doch trotz Werbeverboten und Nichtraucherschutzgesetzen geht der Anteil der Raucher an der EU-Bevölkerung nur minimal zurück – von 36 Prozent der EU-Bevölkerung im Jahre 1987 auf 34 Prozent 1994. Dabei rauchen in allen europäischen Ländern zehn bis 20 Prozent mehr Männer als Frauen. Prozentual die meisten Raucher leben in Dänemark und den Niederlanden mit 45 beziehungsweise 42 Prozent der Bevölkerung. Am wenigsten geraucht wird in England, Irland, Luxemburg und Portugal.
Mit den Tabakpreisen scheinen diese Unterschiede allerdings nichts zu tun zu haben: In Dänemark sind Zigaretten am teuersten. Eine Schachtel Marlboro kostete im vergangenen Jahr fast acht Mark. In Portugal hingegen gab es die Schachtel für etwa drei Mark. Auf der anderen Seite der Rechnung stehen die gesundheitspolitischen Kosten der Nikotinsucht: Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO starben 1990 über 500.000 EU-BürgerInnen an den Folgen des Rauchens. Die größte Gruppe der Nikotinopfer, die 242.000 35- bis 60jährigen, haben nach WHO-Schätzungen durchschnittlich 21 Jahre ihres Lebens verloren.jgo
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