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Zwischen den RillenAnd the band played on

■ Was sie wollten, was sie wurden: Simple Minds und Human League

Über die Jahre zu ausgewachsenen Monsters of Rock geworden, die britischen Bands Simple Minds und Human League. Sternchen von früher, schwerfälliges, populäres Allgemeingut von heute, versorgen sie uns mit neuen Platten, die sich wie ein ausgeleierter Reflex auf Altbewährtes anhören.

Anfang der Achtziger produzierten die Simple Minds noch unbedarfte, schroffe Alben, die mal wie Soundtracks zu einem neu zu erfindenden Metropolenleben, mal wie verwunschene Sommerplatten klangen und in den Regalen unter „New Wave“, später „New Romantic“ landeten – mehr des arglosen, überdurchschnittlich hohen Einsatzes von Keyboards wegen als einer bewußt antipunkrockistischen, den schwitzenden Gitarren die kalte Computerstirn bietenden neuen Ästhetik.

Dann aber wurden sie groß und größer. U2s Brüder in Entwicklung, Ruhm und Geist, waren sie – wie der üppig ausgefallene, aufklärerisch-freundliche Waschzettel zum neuen Album das nennt – eine „sozial engagierte“ und „politisch beobachtende“ Rockband geworden: free Nelson Mandela, save the Regenwald oder, noch kämpferischer: Street fighting years. Eine Weltband, Globusreisende, kein Thema mehr für regional und subkulturell schaffende Experten.

Wer aber schon mal im Sting- Gefängnis allgemeiner Sozialphrasen steckt, geht schnell in sich und macht auf Seele und Suche. So verschwanden auch die Simple Minds ein paar Jährchen von der Rockbühne, ordneten sich neu (von der urprünglichen Besetzung sind nur noch Jim „Christ“ Kerr und Charlie Burchill übrig), um heute – Einkehr hin oder her – nahtlos an die bombastischen, breitwandigen, liberal-mystischen, na sagen wir: letzten vier Vorgängeralben anzuknüpfen.

„Good News From The Next World“ – so heißt das Werk – ist das erwartet sauber-gepflegte Rockalbum geworden, heutzutage einzigartig in seiner makellosen Flächigkeit und suggestiven Weite. Friedlich rieseln die Gitarren, verschwiemelt raunen die Lyrics, penetrant verströmen die Simple Minds Kuscheligkeit und Zusammengehörigkeit, sind nach wie vor die Paradeband für in die Höhe gereckte Feuerzeuge – „eine people's band, kraftvoll und trotzdem menschlich verwundbar“, wie Jim Kerr sein Projekt mal treffend charakterisierte. Alles fließt vor Ereignislosigkeit, jeder Song ist ein Hit und zugleich sein Gegenteil. Bloß ein, zwei kurze Augenblicke wird der Flauschigkeitsterror durchbrochen, dann wird's ein wenig nervös, ravig und heißt auch noch gnadenlos einsichtig: „And the band played on, and the world moved on“.

Auch Human League sind Überlebende aus den frühen Achtzigern, nicht ganz so erfolgverwöhnt, waren mal weg vom Fenster, schauten aber immer wieder rein. Anders als die Simple Minds waren sie immer strikt gegen so zweifelhafte Bürgerspflichten wie „Entwicklung“ und „Dazulernen“. Mit Grund: „Don't You Want Me, Baby“ war so smashig und prägend, daß man ihnen ihre eigenen Folgeerscheinungen, die Feldbestellung für Thompson Twins, Eurythmics, und – noch schlimmer – deutsche Schweinereien wie die Twins nicht übelnehmen konnte. Human Leage waren POP. Das Roxy-Music/Bowie-Image, das auch sie mitprägten, regierte nur einen Sommer lang, danach waren Human League die uninteressanteste Band der Welt.

So im Windschatten des Ruhms dahinzusegeln, hat auch Vorteile: Unbeirrt bastelt man auf dem jüngsten Album „Octopus“ am alten Synthie-Pop- Schema, als hätte es seine feinen Verästelungen und offensiven Brutalisierungen in Elektro-, Techno- und House-Cultures nie gegeben. Wie alle Human- League-Alben ist „Octopus“ zum Tanzen gänzlich ungeeignet – auch wenn der House-Hau öfters als sonst unter den Songs liegt und es seine paar Hits und Ohrwürmer für den Durchlauferhitzer Radio enthält.

Angenehm dabei, daß nie der Versuch unternommen wird, künstlich Wärme herzustellen: keine Pianos, keine Gitarren – no emotions, but melody. Distanziert und trotzdem einnehmend reagieren die synthetischen Geräusche in ihrem angestammten Herrschaftsbereich, mehr unterstützt als attackiert von dem ewig gleich modulierenden Organ von Phil Oackey, dessen „Listen To The Voice Of Buddha“ sich auf Dauer ebenso festsetzt wie die flötenden Stimmchen seiner beiden Mitstreiterinnen: „These Are The Days, hey, hey, hey, it's time to put the past away ...“

Das ist natürlich übertrieben, denn eigentlich schauen Human League nur mal kurz wieder rein – als Holzschnittvariante eines Eleganzmodells, an das zwar keiner mehr glaubt, an das man sich aber ganz gerne mal wieder erinnern läßt. Man sollte diese elder Popgroup nicht ganz den Schauzbartträgern von heute überlassen. Gerrit Bartels

Simple Minds: „Good News From The Next World“ (Virgin)

Human League: „Octopus“ (East West)

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