: Kein Geld ohne Müll
■ Die Mehrheit der Mescalero-Apachen in New Mexico hat gegen ein Zwischenlager für abgebrannte Atombrennelemente aus den ganzen USA gestimmt
Berlin (taz/AP) – Atommüll und viel Geld oder kein Müll und kein Geld – über diese Alternative mußten die Mescalero-Apachen in New Mexico entscheiden. 852 Stimmzettel lagen am Dienstag abend in der Urne.
Noch hoffte der Vorsitzende des Stammesrats, Chino Wendell, daß die Mehrheit mit ihm für das Atomzwischenlager gestimmt hatte. 250 Millionen Dollar, rund 380 Millionen Mark, hatten die 33 Energieversorgungsunternehmen geboten, wenn sie 40 Jahre lang ihre abgebrannten Brennstäbe aus dem ganzen Land in dem trockenen Gebiet am Fuße der Rocky Mountains lagern könnten. „Wir werden die Arbeitslosigkeit bekämpfen, bessere Ausbildungsmöglichkeiten anbieten, bessere Straßen und bessere Wohnungen bauen können“, hatte Silas Cochise geworben, der von seiten der Indianer das Management des Lagers übernehmen wollte. Das Angebot schien für viele verlockend: Von den etwa 3.000 Mescaleros sind 36 Prozent arbeitslos, viele leben unterhalb der Armutsgrenze.
Doch eine ganze Reihe IndianerInnen mißtraute den Versprechungen. Gerüchte, Chino Wendell sei von den Atomlobbyisten geschmiert worden, machten die Runde. Manche sprachen gar von Kopfgeld, das auf die Atomlager- GegnerInnen ausgesetzt worden sei. „Wir haben hier unsere Form der Ferdinand-Marcos-Diktatur. Die Menschen haben Angst vor Wendell, denn er bestraft jeden, der ihn kritisiert. Arbeitsplätze bekommen nur seine Anhänger“, hatte ein Gegner schon 1992 die Zustände im Reservat beschrieben.
Die Führerin der Opposition, Rufina Maria Laws, wurde nicht müde, die Mescaleros immer wieder auf die Gefahren des Atommülls hinzuweisen, berichtet Günter Wippel von der Gesellschaft für bedrohte Völker, der die Apachen vor ein paar Monaten besucht hat. Laws fürchtete, daß ihr Reservat zum Langzeitlager für die 20.000 Tonnen abgebrannter Brennstäbe werden könnte. Denn ein Endlager ist auch in den USA noch lange nicht in Sicht. Zwar will die Clinton-Regierung, genau wie ihre Vorgängerinnen, auf den Yucca Mountains in der Wüste von Nevada abgebrannte Brennstäbe für immer vergraben lassen. Aber in dem von vielen Atomtests erschütterten Bundesstaat regt sich massiver Widerstand. Die geologischen Untersuchungen sind ebenfalls noch nicht abgeschlossen, so daß der Termin für die Öffnung des Lagers sich immer weiter nach hinten verschiebt. Zuerst war von 1989 die Rede, dann wurde 1998 anvisiert. Inzwischen ist bereits 2003 als Starttermin obsolet geworden und 2010 gilt als frühester Einlagerungstermin. Bis dahin sollen die Brennstäbe überwiegend in Reservaten verbleiben: Von 17 untersuchten Zwischenlagern liegen 15 auf Indianergebiet.
Am Dienstag abend starrten Chino Wendell, Silas Cochise, Rufina Maria Laws und ihre AnhängerInnen gebannt auf die Stimmenauszähler. 490 Mescaleros hatten mit Nein votiert, 362 waren für das Lager. „Ein echter Schock“, kommentierte Cochise, der seine berufliche Zukunft davonschwimmen sah. Eine Gelegenheit wie diese werde sich für die Mescaleros nie wieder ergeben. Wendell Chino aber versicherte, daß er den Willen seines Volkes akzeptieren werde. Annette Jensen
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