: Betr.: Bremer Gesellschaft für öffentliche Bäder
Kraken gehörten bislang zu einer Spezies, die in Bremer Gewässern Seltenheitswert hatte. Mit letztem Sommer wurde das anders: Mindestens ein Exemplar, gleich drei Meter lang, treibt sein Unwesen. In Frei- und Hallenbädern streckt es seine Fänge aus – als buntes, aufblasbares Schwimmtier.
„Wir orientieren uns um“, sagt Wolfgang Heise, seit zwei Jahren Chef der Bremer Gesellschaft für Öffentliche Bäder. Die Sechsarmige mit den langen Greifern ist fast schon ein Sinnbild dafür: Die Bädergesellschaft, die sich bislang um gekachelte Hygiene und Körperertüchtigung mehr kümmerte, als um die wahren Badefreuden ihrer Gäste, geht auf KundInnenfang. Höchste Zeit, denn die Zahl der Freizeit-SchwimmerInnen schrumpfte in den letzten Jahren beständig. Eine halbe Million BesucherInnen auf fünf Hallenbäder im Jahr – mehr wollten nicht kommen oder schafften es nicht. Beste Behörden-Öffnungszeiten für Sauna und Bad bis allerhöchstens 20 Uhr luden nicht gerade zum gemütlichen Feierabendein.
Doch mit der Krake kamen auch andere Öffnungszeiten: Einmal wöchentlich gibt es seit Herbst den langen Badetag bis 22 Uhr. Solange ist auch die Sauna geöffnet. Damit haben Heise und seine Marketing-Chefin Cornelia Jarré die Hansestadt fast auf Münchner Olympiabad-Niveau gehievt. Nun ist Schluß mit der staatlich subventionierter Gästeaustreibung. Stattdessen kommen Angebote wie Rheuma-, Rücken- und Babyschwimmen auf den Plan – und es sollen noch mehr werden.
Neue Schlankheitsangebote allerdings gibt's nicht nur für Gäste, sondern auch für die Belegschaft: Von 165 MitarbeiterInnen vor zwei Jahren arbeiten heute nur noch 138 für die Bädergesellschaft. „Viele sind in Rente gegangen“, sagt Heise und daß das Bäderkonzept eben dazu verpflichte, die Kosten stabil zu halten. Vor allem jetzt, wo überall Sanierungen anstehen: Nachdem das Waller West-Bad kürzlich für sieben Millionen von Grund auf saniert wurde, soll nun das Neustadt-Bad drankommen – „wegen der knappen Finanzen vorerst nur der Kundenbereich. Dann die Technik.“ Sogar am freundlichen Ton der Angestellten läßt der Bädermeister feilen: „Kundengerecht“ setzt Heise auf Freundlichkeit und Badespaß.
Andere Sportanbieter finden das nur halb so spaßig. Die neuen Ideen aus der Marketing-Abteilung der Bädergesellschaft schlagen Wellen, vor denen sie sich fürchten. „Der Sportmarkt ist heiß umkämpft“, sagen sie und fürchten, daß die Kundschaft fortläuft, wenn die Bädergesellschaft erst ihre Gymnastikräume ausgebaut hat und außer Schwimmen auch noch Fitneß bis 22 Uhr anbietet.
ede / Foto: Tristan Vankann
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