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Eine alte Kriegslust neu entdeckt

Der Krieg zwischen Peru und Ecuador verschärft sich, und immer deutlicher wird, wie leicht die ungeklärte Frage der Grenzen nationale Gefühle erweckt und Präsidenten in Helden verwandelt  ■ Von Bernd Pickert

Berlin (taz) – Die Friedensverhandlungen zwischen Ecuador und Peru sind vorläufig gescheitert. Perus Präsident Alberto Fujimori ließ die Verhandlungsdelegation seines Landes gestern aus dem brasilianischen Rio de Janeiro zurückkehren und verstärkte das Militär am umkämpften Grenzabschnitt, da ecuadorianische Angreifer nunmehr aus den von ihnen gehaltenen Stellungen vertrieben werden müßten. Schon behaupten peruanische Quellen, der ecuadorianische Grenzposten Tihuinza werde angegriffen, während Ecuador vermeldet, der Angriff sei erfolgreich zurückgeschlagen.

Die Kämpfe gehen weiter, und es kann auch kaum verwundern, daß einige wenige Tage nicht reichen, diesen Konflikt zu beenden. Als der letzte große Krieg zwischen Ecuador und Peru 1941 mit dem Vertrag von Rio de Janeiro beendet wurde, da war nichts gelöst: Die weit überlegene Armee Perus hatte große Teile Ecuadors besetzt. Daß trotzdem Frieden geschlossen wurde, lag am Druck der USA, die nach dem Angriff Japans auf Pearl Harbor im Dezember 1941 den Zusammenhalt der amerikanischen Hemisphäre sichern wollten.

Auf der damaligen Rio-Konferenz unterzeichneten Ecuador und Peru auf Drängen der USA am 29. Januar 1942 das „Protokoll von Rio“, das Peru etwa 185.000 Quadratkilometer ecuadorianischen Territoriums zusprach und lediglich die Räumung einiger Gebiete im Süden Ecuadors durch Peru vorsah. Der neue Grenzverlauf wurde zu rasch und zu ungenau vereinbart, um den Ecuadorianern nicht als Vorwand zu dienen, bald den Rio-Vertrag für nichtig zu erklären. Streitpunkt blieb insbesondere der Grenzverlauf in der Cordillera del Condor, wo heute gekämpft wird. Bereits fünf Jahre nach der Unterzeichnung des Rio- Protokolls wurde ein neuer Fluß entdeckt – und sofort verlangte die ecuadorianische Regierung in Quito eine Neuverhandlung des Grenzverlaufes in dem 78 Kilometer langen Teilstück der insgesamt rund 1.700 Kilometer langen gemeinsamen Grenze. Peru lehnt das bis heute ab. In einer vor wenigen Tagen von den peruanischen Botschaften versandten Grundsatzerklärung heißt es, der Grenzverlauf auch in dem strittigen Gebiet sei 1945 durch einen brasilianischen Richter entschieden worden, und der 1947 durch US-Luftaufnahmen entdeckte Fluß bestätige die peruanischen Ansprüche.

Ob es in dem umstrittenen Gebiet nun tatsächlich, wie immer wieder behauptet, größere Goldverkommen gibt oder nicht, ist unter Experten umstritten – und es spielt auch keine Rolle. Die extremen Nationalgefühle, die Ecuadors Präsident Sixto Durán Ballén über Nacht zu wecken in der Lage war, erklären sich eher aus der Geschichte als aus dem materiellen Anspruch. Tatsächlich hatte Ecuador durch Krieg und Rio-Protokoll einen Großteil seiner Erdölfelder an Peru verloren, und – für das nationale Empfinden viel schlimmer – seinen direkten Zugang zum Amazonas. Bis heute ist auf ecuadorianischen amtlichen Briefköpfen zu lesen: „Ecuador war, ist und wird ein Amazonas-Land sein.“

Wer Ecuador näher daran bringt, diesen Anspruch einzulösen, kann auf nahezu ungebrochene Solidarität zählen – das gilt selbst für den greisen Präsidenten Durán Ballén, der immer mal wieder Gerüchte über sein eigenes Ableben dementieren muß. Und ein wenig Zuspruch hat Durán Ballén bitter nötig, sind doch die Erfolge seiner bislang zweijährigen Amtszeit eher mager: Da hat sich die Regierung mit ausgedehnten Privatisierungsplänen und der Beschneidung des öffentlichen Sektors den geeinten Widerstand der recht mächtigen Gewerkschaften und der indigenen Bauernverbände eingehandelt, da blüht die Korruption auf allen Ebenen wie eh und je, da haben sich die Auslandsschulden fast verdoppelt, die Benzinpreise mehr als vervierfacht. Kaum jemand hätte gedacht, daß sich in Quito so schnell Zehntausende versammeln würden, um diesen Präsidenten hochleben zu lassen. Aber der Hurra-Patriotismus funktioniert: Wer heute in Quito auf der Straße bestohlen wird, der ruft nicht „Haltet den Dieb!“, sondern „Achtung, ein Peruaner!“ – und der Täter kann froh sein, wenn er einigermaßen heil davonkommt.

In Peru scheint die Stimmung nüchterner. Zwar zeigen sich die Peruaner erzürnt, „schon zum dritten Mal seit 1942“ von Ecuador angegriffen worden sein, und auch noch „hinterlistig“, wie es offiziell heißt – doch versucht der wahlkämpfende Präsident Alberto Fujimori den Technokraten zur Schau zu stellen, der ruhig den Feind zurückdrängt. Peru mag für Ecuador der Erzfeind sein – für Peru jedoch ist viel eher Chile das Haßobjekt, seit dieser südliche Nachbar im Pazifikkrieg 1879–1883 die Salpeterprovinz Tarapacá, den Hafen Arica und die erst 1929 zurückgegebene Stadt Tacna annektierte.

So nutzt der Krieg auch Fujimori. Er kann seine Verbundenheit mit dem Militär auch jetzt noch demonstrieren, wo der Kampf gegen die maoistische Guerilla-Organisation Sendero Luminoso praktisch beendet ist. Vor allem aber kann sich Fujimori nach außen bestens als Verteidiger international überwachter Verträge darstellen. Wogegen Ecuadors Durán Ballén seit dem Wochenende durch Südamerika tourt, um Staatschefs sein Leid zu klagen, und dabei wenig Erfolg haben dürfte – außer vielleicht in Chile.

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