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Piep piep piep, wir ham uns nicht mehr lieb

■ Piepmatzaffäre: Ampel im Sturzflug / Die Inszenierung eines Koalitionsbruchs

Letzte Kapriolen der Flugkünstler von der Bremer Regierungsformation. Die Piepmatzaffäre sorgt für den Sturzflug der Ampelkoalition, der tödliche Aufprall ist absehbar (siehe S.1 u. 5). Gestern beschloß der Senat zwar einstimmig, daß die umstrittene Anmeldung der EU-Vogelschutzgebiete zurückgenommen werden soll – aber die Position der FDP hat das kein Jota verändert. Nach wie vor fordern die Liberalen den politischen Kopf des grünen Umweltschutzsenators Ralf Fücks. „Die Grünen reden ständig von politischer Moral“, erklärte gestern der FDP-Landeschef Manfred Richter. „Doch wenn einer von ihnen etwas verbockt, dann hat er Pattex an der Hose und will nicht zurücktreten.“

Eine ganze Woche hat es gedauert, bis die Empörung über Fücks Verfassungsbruch, weil er nicht den Senat mit der Sache befaßt hatte, bei den Liberalen durchgebrochen war. In der letzten Woche hatte sich die FDP auf eine einzige Frage eingeschworen: Die Anmeldung müsse zurückgenommen werden. Von Rücktritt war erst die Rede, als Fücks die Rücknahme der Anmeldung bekanntgab. Da war für die Liberalen längst alles gelaufen. Fünf Minuten nach Beginn der Pressekonferenz ging die Erklärung Richters an die Presse – ohne vorher den Grünen selbst oder Bürgermeister Wedemeier informiert zu haben. Die erfuhren vom Richter-Vorstoß aus dem Radio.

Die Inszenierung eines Koalitionsbruchs: Am 6. Januar bekam der Umweltsenator Post. Kabinettskollege Claus Jäger war ein Gerücht zu Ohren gekommen. Das Umweltressort habe die gesamte Hemelinger Marsch zum Vogelschutzgebiet erklärt. Der Tenor des Briefes war freudlich, keineswegs aufgeregt, was beim Reizthema Marsch zu erwarten gewesen wäre. Fücks gab das Schreiben an die zuständige Naturschutzabteilung zur Klärung weiter.

Am vergangenen Montag dann, das Umweltressort saß an der Antwort für Jäger, kam die zweite Anfrage des Wirtschaftsressorts. Der Umweltsenator möge doch die Karte aller zum Vogelschutz angemeldeten Gebiete rüberschicken. Das geschah am Montag abend. Am Dienstag sprach Klaus Wedemeir die Sache bei der informellen „Suppenrunde“ des Senats an: Es gebe Presseanfragen wegen Vogelschutz in der Hemelinger Marsch. Der Umweltsenator versprach, eine Woche später zu berichten.

Einen Tag danach, am Mittwoch, erschien der erste donnernde Artikel im Weser Kurier, inklusive einer Grafik von der Hemelinger Marsch, genau auf der Basis des Originals aus dem Umweltressort. „Wenn Sie gesagt hätten, daß Sie die Karte für die Presse brauchen“, erklärte Umweltstaatsrat Manfred Morgenstern Jäger gestern im Senat, „dann hätte ich die Karte direkt dorthin geschickt.“

Alle FDP-Erklärungen dieser Tage zielten nur auf einen Punkt: Die Anmeldung müsse zurückgenommen werden. Das tat Fücks am Montag, die FDP hatte er bereits am Sonntag von seiner Entscheidung informiert, nachdem am Wochenende die Ressortspitze Krisensitzung gehabt hatte. Doch da waren die Liberalen aus dem Wirtschaftsflügel schon auf einem ganz anderen Dampfer. Was am Montag noch als Alleingang des FDP-Parteichefs Richter erscheinen konnte, das war sorgsam abgesprochen. Am Montag morgen hatten sich die FDP-Senatoren, Fraktions- und Parteispitze zusammengesetzt und die Rücktrittsforderung beschlossen. Verkünden durfte sie der landespolitisch bislang unverdächtige, weil nie aufgetauchte, Manfred Richter. Auf dem Tisch hatte die Runde dabei auch schon die Einladung Klaus Wedemeiers für eine Abendsitzung des Koalitiosnausschusses. Mit der Absage ließen sich die Liberalen aber noch bis zum späten Nachmittag Zeit. Die wurde von Innensenator van Nispen und Fraktionschef Welke unterzeichnet. Den Autoren verrät allerdings das Kürzel: Claus Jäger. Jochen Grabler

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