: Mehrzweckhalle der Künste
■ Das Bremer „World Trade Center“ ist auf die Kunst gekommen: Eine Raritätenschau mit echten Dalis zieht 12.000 Besucher, und kein Ende in Sicht
Da zieht Dalí die Brauen hoch: Wie kommt seine Schubladen-Venus denn nun plötzlich ins World Trade Center? Ins Bremer noch dazu? Zusammen mit rund 30 weiteren Plastiken – von den Grafiken, den abervielen, ganz zu schweigen? Gleichviel: Der Meister schaut auf seinem Ausstellungsplakat zwar etwas wirr; aber als begnadeter Marketing-Stratege seiner Zunft hätte er wahrscheinlich seine Freude an dem Bremer Rummel gehabt. 12.000 Besucherinnen und Besucher haben die Dalí-Show im Foyer des World Trade Center (WTC) inzwischen gesehen, 20.000 sind angepeilt, eben hat man die Schau bis 3. März verlängert. Das sind mehr Besucher, als zuletzt ins „Kunstforum“ zu Edward Hopper kamen, bei ähnlichem Werbeaufwand. Als Konkurrenz zu den Galerien und Museen sieht sich das WTC nicht. Ein Ausnahmefall soll die Kunstschau im Handelshaus aber auch nicht bleiben: Mit Dalí will das WTC sich als neuer Kulturanbieter etablieren – ohne klares Profil, ohne Budget, ohne großen Bildungsauftrag, aber dafür mit dem kaufmännischen Blick für die Marktlücke.
„Im Grunde ist das da unten ja eine Vielzweckhalle“, sagt Helmut Detken. Der Geschäftsführer von „Bremen Business International“ (BBI), Sachwalter des Handelshauses, ist da ganz Realist. Im ausgreifenden Foyer des WTC mieten sich die Rotarier ein, Computerfachmenschen und ganze Parteitage. 3000 Mark Betriebskosten pro Tag, überschlägt Detken – da muß sich die repräsentative Eingangshalle schon „für uns rechnen“. Wenn sie denn benutzt wird.
Am Anfang aber stand „die Halle meistens völlig leer“, erinnert sich Christiane Hahn, zuständig für „Messen und Ausstellungen“. Sie muß es wissen: Damals, vor dreieinhalb Jahren, hockte sie noch an der Rezeption, und meistens allein auf weiter Flur. Da kam ihr die Idee mit der Kunst: Warum nicht unbekannten heimischen, aber auch auswärtigen Künstlerinnen und Künstlern den Freiraum geben? Mietfrei noch dazu? Gegenleistung: Um Plakate, Einladungen und alles weitere müssen die Kunstschaffenden sich schon selbst kümmern; das WTC spendet den Raum, notfalls ein paar Rahmen und Kaltgetränke.
Das gefiel der BBI-Geschäftsführung. Schließlich gilt es immer noch, den lädierten Ruf als Pleiteunternehmen aufzubessern. Irgendiwe ließen sich mit Kunst, hofft Detken, „ja auch potentielle Kunden für Bremen gewinnen“. Und die eigenen, toten Hallen beleben.
Das geht freilich kaum mit großartigen Kunstansprüchen. Christiane Hahn, inzwischen zur Ausstellungsmacherin avanciert, will „das ganz normale Publikum“ ansprechen, will „Kunst zum Anfassen“ bieten. Das alte Schlagwort bekommt hier tatsächlich ganz handfeste Qualität. Dalís schwebende Elefanten und dahinhinschmelzende Damen, allesamt Bronzeplastiken, dürfen ruhig betatscht werden. Und sogar mitgenommen: Jede Kunstschau ist hier auch eine Verkaufsschau – anders könnten die meisten privaten Aussteller ihre eigene, kleine WTC-Ausstellung auch kaum bezahlen. Der Elefant kommt etwas um die 30.000 Mark; wer knapp ist, kann sich am Posterstand das „Letzte Abendmahl“ für 29,90 Mark greifen.
Das Geschäft ging bisher allerdings eher bescheiden. „Die meisten Künstler gehen nicht davon aus, hier viel zu verkaufen“, sagt Hahn. Das Handelshaus mit dem weltläufigen Namen zählt eben bisher nicht zu den führenden Kunsthäusern. Die Qualität der Kunstwerke gehörte für die Kaufleute bisher eher zu den nachrangigen Kriterien. Wie bescheiden auch immer, hat das kleine Kunstprogramm dem WTC immerhin die Dalí-Schau eingebracht: Eine Schweizer Kunststiftung, die mit der Privatsammlung aus Plastiken und Grafiken seit letztem Jahr durch die Lande tingelt, bot die Ausstellung an. Und siehe: Das Bremer Publikum findet plötzlich den Weg ins WTC. Seit nicht mehr nur die Laufkunden der ansässigen Handelsfirmen das Foyer bevölkern, um bei einer Kaffepause mal Kunst zu gucken, nimmt man erstmals sogar Eintritt. Solche „Highlights“ will Hahn künftig einmal pro Jahr ins Haus holen; „im nächsten Jahr vielleicht Picasso“. Die nächsten anderthalb Jahre sei man aber schon mit Veranstaltungen ausgebucht. Eine Vielzweckhalle wird der Laden auf absehbare Zeit wohl dennoch bleiben: Wenn Dalís Elefanten abgeräumt sind, rollen schon die „Bremer Hochzeitstage“ ins Foyer. tw
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