: Todesurteil wegen Gotteslästerung
■ Pakistan: Blasphemie-Spruch gegen zwei Christen / Einer war zur „Tatzeit“ elf Jahre alt / Benazir Bhutto kritisiert
Neu Delhi (taz) – Ein Gericht in Lahore hat zwei Christen, den minderjährigen Salamat Masih und seinen Onkel Rehmat, zum Tod durch den Strang verurteilt. Ihr Vergehen: Sie sollen 1992 in ihrem Dorf in der Provinz Punjab Papierfetzen über die Mauer der Moschee geworfen haben, auf die sie gotteslästerliche Ausdrücke gegen den Propheten Mohammed gekritzelt hätten.
Das Urteil basiert auf einem Artikel im pakistanischen Strafrecht, in dem Blasphemie mit dem Tod bestraft wird. Als Vergehen gegen den Islam unterliegt die Wahrheitsfindung der Sharia, und gemäß dem islamischen Recht genügt es, wenn ein einziger Muslim als Zeuge auftritt. Dies war im vorliegenden Fall geschehen, und das Urteil erfolgte trotz Entlastungszeugen, die unter anderem glaubhaft machten, daß der damals elfjährige Salamat Masih gar nicht schreiben konnte.
Einer der Entlastungszeugen, Mansur Masih, wurde am 5. April 1994 vor dem Gerichtsgebäude in Lahore von Unbekannten erschossen. Gegen ein ähnliches Todesurteil, ebenfalls gegen einen Christen, hat die pakistanische Menschenrechtskommission Berufung wegen Verfahrensmängeln eingelegt. Sie sieht auch in diesem Fall ein Beispiel für die ungeheuerliche Leichtigkeit, mit der sich Muslime durch Verweis auf die Sharia ungeliebter Nachbarn oder politischer Gegner entledigen können.
Premierministerin Benazir Bhutto zeigte sich schockiert über das Urteil. Ihre Regierung hat in den vergangenen Monaten vergeblich versucht, im Parlament eine Lockerung der strengen Gesetzgebung durchzubringen. Allerdings läßt Bhuttos Begründung für ihren Schock einen schalen Geschmack zurück: Sie habe nichts gegen die Blasphemie-Gesetze, sagte sie am Montag gegenüber Journalisten in Islamabad; aber das Urteil komme in einem ungünstigen Augenblick, nämlich kurz vor ihrer USA-Reise und während der Tagung der UNO-Menschenrechtskommission in Genf.
Die Reaktion zeigt einmal mehr die zwei Gesichter der Benazir Bhutto: In den internationalen Gremien und Medien tritt sie als Verfechterin der Rechte der Minderheiten und Frauen in aller Welt auf; in ihrem eigenen Land, so werfen ihr gerade pakistanische Menschenrechtsgruppen vor, sei politischer Opportunismus ihre einzige Richtschnur, und dies laufe auf ein Appeasement der patriarchalischen und fundamentalistischen Kräfte hinaus. Bernard Imhasly
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