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Schiebetüren, verklemmt

Zwei Besuche in Dominique Derudderes „Suite 16“ (P)  ■ Von Andreas Becker

Daß reiche Rollstuhlfahrer nicht arbeiten und deshalb den lieben langen Tag in ihrer durchdesignten Hotel-Suite rumkurven – wer hätte das nicht schon immer geahnt! Wenn so einem dann zufällig ein gestrauchelter Frauenbetrüger und Schmuckdieb zuläuft, der smart und fad aussieht wie der männliche Teil von Roxette, nimmt das Psychodrama zwischen Schiebetüren unweigerlich seinen Lauf.

Regisseur Dominique Deruddere will uns in der „Suite 16“ angeblich einen „düsteren, erotischen Thriller“ präsentieren. Tatsächlich stellt sich schon nach wenigen Minuten ein klaustrophobisches Gefühl ein. Aber durchaus nicht, weil es dort so spannend zuginge. Rolli Glover, zunächst die Geisel von Chris, läßt den Jungen zum Instrument seiner Sexphantasien werden. Das klingt nicht nur schrecklich, das ist schrecklich.

Chris traut sich wegen der Polizei sowieso schon nicht mehr auf die Straße, und durch den guten Service in Zimmer 16 wird er schnell noch hospitalistischer als sein Gastgeber. Und, wir ahnen es bereits, nach Rotwein und Kaviar muß als Nachtisch eine Frau aufs Tablett. Es wird eine Prostituierte bestellt. Glover beobachtet Chris und sein Dessert heimlich per Video, anschließend soll der Junge Bericht erstatten: „Wie fühlt sich das an, mit eine Frau zu schlafen?“ „Man fickt eben. Du bist von der Hüfte an gelähmt, du wirst das nie verstehen!“ In Wirklichkeit hat Chris keinen hochgekriegt.

Ich weiß nicht, was das Ärgerlichste an „Suite 16“ ist: die Konstruktion 'Rollstuhlfahrer-benutzt- jungen-Mann-als-Ersatzgeschlechtsteil'? Der Ärger über ein nicht eingelöstes, eigentlich schönes Wortspiel? Die gar nicht thrillerhafte Sterilität, die tiefdräuenden Gespräche zwischen Chris und Glover – oder sind's die Schiebetüren? Ich für meinen Teil jedenfalls habe die Suite 16 beim ersten Mal nach rund einer halben Stunde verlassen. Aber was tut man nicht alles für seine Chronistenpflicht: Bei der nächsten Vorführung bin ich mit halbstündiger Verspätung doch wieder reingegangen.

Groß geändert hat sich zwischendurch nichts. Chris muß dann noch vor Glovers Augen eine gefesselte Frau auspeitschen, wird von einem Schwulen vergewaltigt, küßt danach Glover auf den Mund, geht endlich mal raus aus dem dämmerigen Hotelzimmer und soll – Oh Autorenphantasie! – auf Glovers Geheiß schließlich eine Frau umbringen. 107 quälende Minuten Warterei auf den Abspann.

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