: Neue Runde in Spaniens Anti-ETA-Skandal
■ Ehemaliger Staatssekretär im „Fall GAL“ verhaftet / Weitere Vorladungen erwartet / Für Regierungschef Felipe González wird die Luft wieder dünner
Madrid (taz) – Die Affäre um den mutmaßlichen Staatsterrorismus in Spanien geht weiter: Am Donnerstag abend ließ der ermittelnde Richter Baltasar Garzón den ehemaligen Staatssekretär für Staatssicherheit, Rafael Vera, verhaften. Vera ist schon der fünfte Untersuchungshäftling aus der Führungsebene des spanischen Innenministeriums: In Haft sind bereits sein Vorgänger Julián Sancristobal, sein Privatsekretär Juan de Justo, der Polizeichef von Bilbao Francisco Alvarez sowie Miguel Planchuelo, Ex-Chef der geheimdienstlichen Abteilung. Gleichzeitig beschloß Richter Garzón, das Hauptverfahren im Fall GAL aus dem Jahre 1988 neu aufzurollen.
Auf das Konto der GAL, der „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ gehen 28 Morde an Mitgliedern der baskischen Separatistenorganisation ETA. Zwei Polizisten, die als Mitglieder der GAL verurteilt worden waren, hatten die spanische Regierung beschuldigt, Organisator und Financier der GAL gewesen zu sein. Dem Ex-Staatssekretär Vera wird nun vorgeworfen, eine halbe Million Mark aus dem Reptilienfonds des Innenministeriums auf ein Genfer Nummernkonto jener beiden Ex- Polizisten José Amedo und Michel Dominguez überwiesen zu haben, um ihr Schweigen zu erkaufen.
Des weiteren beschuldigt man den ehemaligen Spezialisten in Sachen Terrorismusbekämpfung, die Entführung des baskischen Unternehmers Segundo Marey im Dezember 1983 geplant zu haben. Marey war damals nach zehn Tagen Gefangenschaft wieder freigelassen worden – die GAL, die mit der Entführung erstmals öffentlich in Erscheinung trat, hatte sich in der Person geirrt.
Zwölf Jahre lang, unter drei verschiedenen Innenministern, war Rafael Vera die Schlüsselfigur im Kampf gegen die baskische ETA gewesen. Über 500 ETA-Kommandos wurden in seiner Amtszeit verhaftet. Gleichzeitig setzte er auf Gesprächskontakte mit der ETA- Führung, die 1987 in direkte Verhandlungen in Algier mündeten. Die scheiterten zwar, doch die Kontakte rissen nie ganz ab. 1994 trat Vera zurück. Der Grund: der neue Innenminister Asunción wollte genau diese Kontakte unterbinden.
Richter Garzón, mit der Verhaftung Veras auf der Hierarchieleiter eine Stufe höher geklettert, hat längst die nächste Ebene im Visier. Die ehemaligen Innenminister José Barrionuevo und José Luis Corcuera müssen jetzt täglich mit ihrer Vorladung rechnen. In die Amtszeit von Barrionuevo fallen sämtliche Aktionen der GAL, in die von Corcuera die angeblichen Zahlungen an Amedo und Dominguez. Genau beim Geld lag bereits im Verfahren 1988 der Knackpunkt. Richter Garzón wurden damals sämtliche Unterlagen über die Geheimfonds des Innenministeriums verweigert. So konnte nie geklärt werden, wer die GAL- Söldner bezahlte, und Garzón mußte sich mit einer Verurteilung der Polizisten zufriedengeben. An der Spitze des Organisationsschemas der terroristischen Gruppe trug er ein „X“ ein. Am Montag nun wird der Oberste Gerichtshof entscheiden, ob Garzón, gestützt auf die Aussagen von Amedo und Dominguez, auch dieses Verfahren erneut aufrollen und den „Señor x“ belangen kann.
Dieser große Unbekannte sei er nicht, hatte Regierungschef Felipe González ein ums andere Mal betont, er wisse überhaupt nichts über die GAL und alle Vorwürfe und Vermutungen gegen ihn seien ganz falsch. Doch was laut Umfragen schon die Mehrheit der SpanierInnen nicht glauben wollte, gerät nun durch die Verhaftung Veras noch mehr in Zweifel. Erstmals schließen sich auch Politiker der baskischen PNV, die bisher treu die sozialistische Minderheitsregierung mittrugen, den Rücktrittsforderungen an. „Wenn sich die Verwicklung von Rafael Vera in den Fall GAL bestätigen sollte, muß González abdanken“, meint Juan Maria Atutxa, Sicherheitsbeauftragter der baskischen Regierung. Reiner Wandler
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen