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Afrodeutsch ist kein Widerspruch

■ Der "Black History Month" an elf Veranstaltungsorten soll afrodeutsche Identität stärken und Vorurteile abbauen. Ein Gespräch mit Koorganisator Fidelis Dusine-Grotke über Arabella und anderes

taz: Woher stammt die Idee des Black History Month?

Fidelis Dusine-Grotke: Sie geht auf den afroamerikanischen Historiker Carter G. Woodson zurück, der 1926 in den USA die „Negro History Week“ ins Leben rief. Durch diese Veranstaltung sollte über schwarze Geschichte und Kultur informiert und schwarzes Bewußtsein gestärkt werden. Vor sechs Jahren fanden sich erstmals verschiedene schwarze Gruppen in Berlin zusammen, um eine gleichnamige Veranstaltung in der Bundesrepublik zu organisieren.

Gerade in Deutschland gibt es wenige Möglichkeiten, sich über schwarze Gegenwart und Vergangenheit zu informieren. Auf der anderen Seite sind Vorurteile gegen Schwarze hierzulande verbreiteter als in europäischen Ländern mit einer ausgeprägten kolonialen Vergangenheit. Gerade die Zunahme von Nationalismus und Rassismus in Deutschland und Europa macht es notwendig, schwarze Geschichte und Kultur bekanntzumachen.

An welches Publikum richtet sich der Black History Month (BHM)?

Es gibt eigentlich zwei Zielgruppen. Einerseits geht es darum, das Zusammengehörigkeitsgefühl und die kulturelle Identität der schwarzen Community in Berlin zu stärken. Andererseits soll der BHM die Vielfalt schwarzer Kultur vorführen. Bewußt haben wir uns nicht auf das klassische „schwarze Gebiet“ der Musik beschränkt. Der Schwerpunkt liegt auf Theater, Filmen, Ausstellungen und Seminaren. Schließlich sind ja von den 30.- bis 40.000 Schwarzen in Berlin höchstens ein Prozent Musiker. Wir wollten diesen Mythos nicht propagieren, der das Selbstbild vieler Schwarzer ja bestimmt. Auch viele Afrodeutsche sehen ihre einzige Chance in Sport oder Musik.

Welche Erfahrungen machen Afrodeutsche in ihrer Heimat Deutschland?

In den USA etwa siehst du, wo immer du hingehst, andere Schwarze. Hier fehlt diese Selbstverständlichkeit, wir sind die totale Minderheit. Dir wird bewußt gemacht, daß du nicht weiß bist. Auf dem Land oder in kleinen Städten geschieht das natürlich früher als in Berlin. Als Kind streichen dir alle über den Kopf, bis dann — in der Pubertät — der Moment kommt, wo die Einstellung der Umwelt sich plötzlich ändert. Von da an wirst du beargwöhnt. Spätestens dann setzt bei dir ein Bewußtseinsprozeß ein. Viele wählen den Weg der inneren Emigration, andere reagieren eher aggressiv auf die Ablehnung, die politisieren sich.

Für schwarze Frauen sieht's nochmals anders aus. Von der Pubertät an werden sie als Sex-Objekte betrachtet. Viele Typen halten sie schlicht für käuflich. Wenn zum Beispiel schwarze Frauen aus den USA hier zu Besuch sind und diese Wahrnehmungsmuster spüren, dann ärgern sie sich höchstens, afrodeutsche Frauen jedoch haben das tief verinnerlicht. Beide Geschlechter sind betroffen von einer Haltung, die ich „positiven Rassismus“ nenne. Das kann in Beziehungen zu einem echten Problem werden, weil du nie weißt, liebt sie mich, oder liebt sie meine Haut? Das kann verletzender sein als der übliche Rassismus, weil er von einer dir nahen Person ausgeht.

Ein Workshop ist dem Verhältnis zwischen Schwarzen und Türken gewidmet.

Eigentlich haben wir als Minoritäten ja ähnliche Interessen in diesem Land. Tatsache ist aber, daß ein gemeinsames Vorgehen überhaupt nicht existiert. Im Gegenteil: Es kommt sogar vor, daß wir uns gegenseitig „niedermachen“: daß schwarze und türkische Jugendliche sich prügeln. Türken fahren halt teilweise auch auf der Vorurteilsschiene gegen Schwarze — und umgekehrt. Den Veranstaltern des Workshops geht es um Aufklärung in den eigenen Gruppen.

Die Leute, die Aufklärung am nötigsten hätten, werden nicht bei Black-History-Month-Veranstaltungen auftauchen. Glaubt ihr trotzdem an eine politische Wirkung?

Natürlich sind das sehr langfristige Prozesse. In Deutschland — und natürlich nicht nur hier — hinken die Mythen den demographischen Realitäten hinterher. Immerhin gibt es rund eine halbe Million Schwarze in diesem Land, 350.000 davon sind Afrodeutsche, entweder hier geboren oder hier sozialisiert. Gleichzeitig ist Deutschland im Selbst- wie im Fremdbild ein weißes Land. In den USA lachen die Leute, wenn man sich als Afro-German vorstellt. Für sie klingt das wie ein Widerspruch in sich. Für viele weiße Deutsche auch.

Diese Bewußtseinsprozesse verlaufen sehr langsam. Die Medien spielen da natürlich eine Schlüsselrolle. In der BHM-Ausstellung „Mediensprache und Rassismus“ sind Zeitungsschlagzeilen im Zusammenhang mit Schwarzen zu sehen. Das ist ganz schön erdrückend, was da an Klischees täglich bedient wird. Afrodeutsche haben auch kaum Rollenmodelle. Die einzigen Schwarzen, die ich als Kind in den Medien gesehen habe, waren Roberto Blanco und Billy Mo. Das waren die einzigen Identifikationsfiguren. Heute haben wir Arabella Kiesbauer in Pro 7. Auch sie ist, trotz politischen Anspruchs, natürlich klassischerweise ein Entertainment-Star. Andere fallen mir auch heute nicht ein. Da kommt nichts mehr. Interview: Simon Heusser

Veranstaltungen (u.a.): heute, 19 Uhr: „Blacks in Europe“; 24.2., 20 Uhr: Eltern schwarzer Kinder diskutieren (beides Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 31–42, Neukölln); 25.2., 20 Uhr: „Zwei Welten“, afrikanisches Frauentheater (Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1, Kreuzberg); 3.3., 20 Uhr: „Best of Black Music“, Live-Act Party (Weisse Rose, Martin-Luther-Straße 77, Schöneberg); Informationen unter Telefon: 6147502.

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