Wand und Boden: Tiefengurgeln
■ Kunst in Berlin jetzt: Westphalen, Bonnie Situation, Dwyer, Wilson
Bruno Brunnets Galerie heißt jetzt Contemporary Fine Arts. Unter dem Titel „A Bonnie Situation“ werden nun elf künstlerische Positionen gezeigt, das meiste davon als Bleistift, Lack oder Öl auf Leinwand. Marc Brandenburg hat seine Reihe mit abgezeichneten Motiven aus Porno, Showbiz und eigenem Freundeskreis erweitert, Piotr Nathan eine Tapete nach Collagen aus Familienfotos gestaltet. Von Elke Krystufek gibt es einen Bettkissenbezug mit gesiebter Monroe- Adaption, und Michel Würthle hat zusammen mit Damien Hirst zittrig eine Moderne nachgemalt, die die Brücke zwischen Fin-de-Siécle-Salon und postkonzeptuellen Begehrlichkeiten in diversen Brauntönen schlägt. Der Verweis auf „Pulp Fiction“ bleibt im Raum stehen, es wird eben viel Farbe vergossen. Die Malerei jedenfalls will nichts von Twist und Blut erzählen, Chris Ofili legt vielmehr Wert darauf, daß „Geetha“ (eine Melange aus gepünktelten Acryl-Schichten nebst aufgepappter Elefantenscheiße) durchaus dekorativ zu verstehen ist, selbst wenn er Sigmar Polke in Sachen Ironie durch Technik nacheifert. Nur bei Robert Lucander und Damien Hirst hat man das Gefühl, beim Schuß aus der Hüfte zuzuschauen: Lucander verwischt mehr im Vorbeigehen orange leuchtende Farbe mit dem Turnschuh auf einer Alutafel und entzaubert so den Bildgrund. Und Damien Hirst hat etwas vom souveränen Narrentum John Travoltas – oder wenigstens von „Street Trash“, einem B-Movie für fortgeschrittene Splatter-Expressionisten: Dort zerplatzen Menschen nach dem Genuß von „Viper“- Schnaps in bunten Farben an Betonwänden. Bei Damien Hirsts mit der Drehmaschine im Kreis gegossenen Lackstriemen wird einem ähnlich schwindelig.
Bis 25. 3., Di.–Fr. 12–18.30, Sa. 11-15 Uhr, Tauroggener Str. 15.
Ölgeruch und pfundweise Farbe auch bei Angela Dwyer in der Galerie Volker Diehl: Wenn Bilder ein Pendant zur Schwere von Skulpturen liefern können, dann ist Dwyer die Serra unter den Malerinnen. Fleckenteppiche statt Stahlplatten. Zentimeterdick werden direkt aus der Tube wandhohe Leinwände zugespachtelt, selbst die Ränder sind zerklüftet von Masse überzogen. Sorgsam scheinen die Zonen verteilt und miteinander abgeglichen. Immer dominiert ein Ton, zu „Stories of the Street“ ist es undefinierbar grünes Blau, „Salt of the Earth“ wird von gelben Zentren getragen. Gegenüber den Arbeiten eines Eugène Leroy etwa, bei dem sich geschickt Informel und Struktur verbinden, bleibt die Künstlerin in ihrer Auseinandersetzung mit dem Material beherrscht, mitunter setzt sie zu sehr auf Komplementäres, dann werden die Hügel und Schluchten wieder flach. Trotzdem entstehen Lücken, Brüche und verwischte Übergänge in der sonst undurchdringlichen Farbdichte. Dabei verändert sich wie in Pollocks getröpfelten Mikrokosmen die Dichtomie von reiner Fläche und gestischer Abstraktion aus der Nähe. Plötzlich finden sich Dutzende marmorierter Abstufungen, wo zuvor ein einziges Rot zu schillern schien. Dwyer kontrapunktiert, indem sie winzige Spuren gegen die groß aufgespachtelte Geste bürstet. Und das ist hier wörtlich zu nehmen.
Bis 13. 4., Di.–Fr. 14–18.30, Sa. 11–14 Uhr, Niebuhrstraße 2.
Die Zeichnungen von Richard Wilson sind weder Skizzen noch Dokumente zu den gewaltigen Raum-Installationen, die der Londoner Nomade überall in die Welt verstreut. Von der Arbeit für die Saatchi- Collection, wo er den über 200 m2 großen Raum einen Meter tief mit Altöl füllte und dorthinein einen schmalen Gang verlegte, sind in der Galerie Klaus Fischer übermalte Fotocollagen übriggeblieben. Sie sind verwirrend multiperspektivisch angelegt, basieren aber dennoch auf einer klaren Konstruktion. Wilson zeichnet architektonisch genau, ohne die Fläche zu vernachlässigen oder sich aus dem Feld der künstlerischen Zeichnung zu entfernen. Das zart ineinandergeflossene Aquarell zum „Watertable“-Projekt, bei dem ein Snookertisch im Galerieboden versenkt und von einer Verbindungsröhre durchbohrt ans Grundwasser angeschlossen wurde, gibt nur einen vagen Eindruck vom Gurgeln in der Tiefe wieder. Dagegen löst sich die Blockhütte als Entwurf für Los Angeles pittoresk in Konfetti auf.
Bis 25. 3., Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr, Motzstraße 9.
Olav Westphalen will sich nicht mit der neuen Malwut messen. Er baut, bastelt und bricoliert: Sein „Park“ im Künstlerhaus Bethanien ist eine feine Sperrholz- und Betonarbeit, die zusätzlich mit einer Low-Tech- Apparatur drapiert wurde. Die Parodie einer interaktiven Computer-Installation, Techno als Treppenwitz der Kunstgeschichte. Westphalen hat einen Wasserfall nachgebildet, der von einem Motor betrieben Wasser durch ein Miniaturgebirge pumpt. Der Besucher kann Performance-gerecht mitmachen, indem er in ein Röhrchen bläst, das mit der Anlage verbunden ist. Zu sehen bekommt er dabei jedoch nichts, der Wasserfall ist dem Raum abgewendet installiert worden, „weil das Begehren aus der Entfernung zum Objekt wächst“, wie der Hamburger Künstler und Rattelschneck-Cartoonist in Anspielung auf Duchamps „Etant Donée“ erklärt. Statt dessen kann er beim Blasen die Verkabelung studieren und über den Zusammenhang von Ursache und Wirkung grübeln. Tatsächlich erschließt sich der durchweg technisch-physikalische Rahmen allerdings unmittelbar. Nichts ist hier mehr an Natur gebunden, selbst die symbolische Referenz an romantisch fließende Kontemplation verendet im jähen Actionwork. „Park“ ist die präparierte Form der Idylle, ein Do-it-yourself- Disneyland, wo Mimesis ans Leblose und Leben als Mimesis keinen Unterschied machen.
Bis 15. 3., Di.–So. 14–19 Uhr, Mariannenpl. 2. Harald Fricke
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