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Finale der „Operation Goldesel“

Mit der Landung von US-Soldaten in Mogadischu soll heute die allerletzte Phase des Rückzugs der Vereinten Nationen aus Somalia beginnen / Somalis hoffen auf Frieden  ■ Aus Mogadischu Willi Germund

Mit quietschenden Ketten setzt die Raupe auf dem Flughafen von Somalias Hauptstadt Mogadischu vor und zurück. Der UN-Soldat in dem weißgestrichenen gepanzerten Führerhäuschen hat alle Hände voll zu tun, um das schwere Ungetüm in der gewünschten Richtung zu halten, wenn es über die umgestürzten Lastwagenanhänger neben der Landebahn rollt.

Im Hof der ehemaligen Luftwaffe des früheren Diktators Siad Barre, ein Steinwurf entfernt von den Stellungen der letzten 2.000 noch verbliebenen Blauhelme, schlafen im Schatten ihrer Fahrzeuge ein paar Dutzend Männer mit Kalaschnikows zwischen den Armen. Sie kamen vor zwei Tagen mit ihren „Technicals“ – Lastwagen mit aufmontierten Geschützen – aus Shalanbod hierher, rund 120 Kilometer südlich von Mogadischu. „Wir sind zur Verstärkung gekommen“, sagt der Chef des verwegen aussehenden Haufens, der 46jährige Abdul Nor Waliye. Die Stoßstangen und Seiten sind mit Stahldornen bewehrt. 106 Millimeter dicke M-79-Geschütze ragen über die Motorhaube hinaus. Handgranaten im Handschuhfach und ein Maschinengewehr mit halbvollem Magazin vervollständigen die Ausrüstung.

Überall in strategischer Nähe des Flughafens stehen diese „Technicals“ in Garageneinfahrten oder unter Bäumen. Ihre Besatzungen warten auf ihre Stunde X: die für heute erwartete „Operation „Shield“, in der US-Truppen zur Deckung der letzten Phase des UNO-Rückzugs aus Somalia am Strand von Mogadischu landen werden und damit die ausländische Militärpräsenz in Somalia beenden, die im Dezember 1992 mit der „Operation Hoffnung“ begonnen hatte. „Wir glauben nicht, daß es Kämpfe geben wird“, sagt der 23jährige Abdi Nassir Said, ein ehemaliger Agrarstudent, „aber falls es Probleme gibt, sind wir hier.“ Am Sonntag nachmittag war es soweit mit den „Problemen“. Eine Einheit von drei Technicals lieferte sich am Außenrand des Flughafengeländes eine zweistündige Schießerei mit Rivalen.

„Die UN-Operation lief eigentlich ganz gut, bis der damalige Oberbefehlshaber Admiral Jonathan Howe zur Jagd auf Aidid blies“, sagt in einem Haus nahe dem Flughafen die 38jährige Starling Arush. Howe wollte den mächtigsten Milizenchef Somalias im Sommer 1993 verhaften – die Folge: blutige Kämpfe, in denen 132 Blauhelme starben, darunter 18 US-Marines und Hunderte, wenn nicht Tausende von Somalis. Seitdem hat die UNO nichts mehr zu einer Befriedung Somalias beitragen können. Jetzt hat die Biologin Arush, die zwölf Jahre lang in Italien lebte, eine Hoffnung: „Politisch ist es, glaube ich, am besten, daß wir Somalis uns selbst überlassen werden und niemand mehr versucht, uns etwas einzureden.“

Das erklärte schon 1993 der Geschäftsmann Osman Ato, damals einer der wichtigsten Finanziers von Aidid. Jetzt, wenige Stunden vor dem UN-Abzug, hat er keine Zeit für Besucher. Dauernd ist er mit seinem Luxusjeep unterwegs, dirigiert Arbeiter und Angestellte. Ein Teil ist damit beschäftigt, Fertigbaracken der UNO auf Lastwagen zu verladen. Die in einen orangefarbenen Überhang gekleidete Arush, die mit anderen Frauen in der Organisation IDA während der vergangenen Jahre versucht hatte, clanübergreifende Friedensinitiativen zu starten, lächelt bitter: „Wir haben die UNO schriftlich gebeten, uns diese Baracken für unser Ausbildungszentrum zu geben. Das wurde abgelehnt. Jetzt kann Ato sie stehlen.“

Für Somalia waren die Vereinten Nationen ein Goldesel. Die UNO heuerte somalische Unternehmer wie Ato an und bezahlten sie in bar für Abfallbeseitigung und Transportdienste – Geld, das schließlich Aidid zum Kauf von Munition diente, mit der er die UNO bekämpfen konnte. Vichtor Gbeho, der mit der Abwicklung der Somalia-Operation beauftragte UN-Sonderbeauftragte, weigert sich aber, die Ausgabe von insgesamt drei Milliarden US-Dollar als völlig nutzlos zu bezeichnen: „Wir haben 347 Gefängniswärter ausgebildet“, zählt er auf, „und es gibt im Land eine Kette von regionalen und lokalen Gerichten.“ Doch die verfolgen nur die Mitglieder von machtlosen Subclans.

„Die Leute, die während des Krieges vom Land in die Stadt gekommen sind, leben jetzt seit Jahren hier“, sagt Starling Arush und hofft, daß dies zum Frieden beitragen wird. Denn zuvor kamen sie mit traditionellen Vorstellungen einschließlich der Blutrache nach Mogadischu. Die Gewöhnung ans urbane Leben, so die Hoffnung der Biologin, könne dafür sorgen, daß in naher Zukunft kein neuer Krieg ausbricht. Aber ganz wohl ist vielen offenbar nicht: „Die Reichen sind nach Merca im Süden gegangen“ sagt Arush; „sie wollen abwarten, was passiert.“

Die UNO zieht ab – und will nichts zurücklassen, was noch verwertbar wäre. Sie nimmt ihre Materialien mit oder zerstört sie, anstatt sie Somalis zu übergeben. Bei der Straßenkreuzung „Kilometer 4“ im Zentrum Mogadischus versammeln sich tagtäglich Hunderte von Somalis mit Eselskarren, um Wasser in Kanister zu laden und es anschließend zu verkaufen. Cholera könnte in der Hauptstadt zunehmen, wenn die UNO weg ist: Sie stellte bisher den Treibstoff für Pumpen an Wasserstellen zur Verfügung. Dort wird wohl bald nichts mehr sprudeln.

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