Grabsteine unterm Hakenkreuz

■ In Oldenburg verteidigt eine Kirchengemeinde Hakenkreuzsteine als Mahnmal für die Opfer

Auf dem Oldenburger Friedhof der Dreifaltigkeitskirche im Stadtteil Osternburg befindet sich ein Denkmal mit den Grabsteinen Gefallener beider Weltkriege, davon 14 gleichartige Steine für Gefallene des Zweiten Weltkrieges. Sie standen ursprünglich auf Einzelgräbern, wurden jedoch in den 50er Jahren dem Denkmal zugeordnet. Diese Steine tragen auf halber Höhe das Eiserne Kreuz, in dessen Mitte unübersehbar ein Hakenkreuz eingraviert ist. Die Rückseite des großen Gedenksteines trägt die Aufschrift: „Meine Augen sehen nach den Getreuen im Lande (Psalm 101.6)“.

Wolf Hertlein, Kirchengemeinderatsmitglied eines anderen Stadtteils, hatte vor einer Woche zufällig die Steine entdeckt. Er formulierte einen Protestbrief an den Kirchengemeinderat der ev.-luth. Kirchengemeinde Osterburg, der in Kopie auch gleich an den Oberkirchenrat, Bischof Sievers ging, sowie an Pfarrer Töllner, Vorsitzender der christlich-jüdischen Gemeinde und Sara-Ruth Schumann, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Oldenburg. Hertlein fordert darin den Osternburger Kirchengemeinderat auf, die Hakenkreuze und den Psalmtext zu entfernen und einen Text zu formulieren, „indem der Kirchengemeinderat die Öffentlichkeit und die Opfer des Nationalsozialismus um Entschuldigung dafür bittet, daß diese Hakenkreuze 50 Jahre lang geduldet wurden.“

Davon aber ist der Kirchengemeinderat weit entfernt, erklärt dessen stellvertretender Vorsitzender Wilhelm Kreye. „Wir sehen das als Mahnmal für das, was unter dem Symbol des Hakenkreuzes an Leid gebracht worden ist“, sagt der „gereizte“ Kreye. „Man muß doch mitdenken, daß dort Opfer liegen.“ Daß „diese kleinen Dinger da“ eingraviert sind, nun ja, „das EK sah eben früher so aus“. Im übrigen sei der Regierungsbezirk für Denkmäler zuständig und trage die Verantwortung für eine Entscheidung, nicht die Kirche.

Trotzdem wurden Gespräche angedacht mit dem Oberkirchenrat, der Denkmalschutzbehörde, der Jüdischen Gemeinde und dem „deutsch-jüdischen Verein, oder wie der heißt.“ Beim Treffen des Gesamtgemeindekirchenrates am 7.3. – „es gibt keinen Grund, eine Sondersitzung einzuberufen“ – werde man Termine setzen. Aber Kreye läßt keinen Zweifel daran, daß er nichts vom Vorstoß Hertleins hält. „Und das vor Beginn der Woche der Brüderlichkeit!“

Die Woche, die traditionell christliche und jüdische Gemeinden näher zusammenbringen soll, wird am Samstag unter Teilnahme von Ministerpräsident Gerd Schröder eröffnet. Am Sonntag wird die neue Synagoge und das neue Jüdische Kulturzentrum feierlich an die Jüdische Gemeinde übergeben.

Verständlich, daß Kreye keine Öffentlichkeit möchte. Doch er geht noch einen Schritt weiter: „Wenn zukünftig Ewiggestrige auf unseren Friedhof kommen, dann ist der Hertlein Schuld dran.“ Er warnt auch die taz-Redakteurin, „weitere Erwägungen“ abzuwarten. „Ja, sollen wir denn unter dem Druck der Presse mit Meißel und Büßerhemd...? Wir haben das weder verursacht noch sind wir alle 50 Jahre dabei.“

Doch der Osterburger Kirchengemeinderat wird die Verantwortung nicht los. „Eigentumsrechtlich gehören die Steine der Kirche“, erklärt Harald Willers, Pressesprecher der Bezirksregierung Oldenburg, bestätigt von Denkmalpfleger Hermann Schiefer. Zwar stelle die Bezirksregierung Geld für die Grabpflege zur Verfügung, zwar stehe die Kirche samt Friedhof im Verzeichnis der Baudenkmale. Die Kirche aber trage die Verantwortung dafür, was mit ihrem Eigentum geschehen solle. Dieser Entscheidung schließe sich der Regierungsbezirk wie üblich an.

So schiebt man sich die Verantwortung zu. Pfarrer Johannes Töllner, Sprecher der christlich-jüdischen Vereinigung, ist empört. Christel Schwarz, Geschäftsführer vom „Freundeskreis Sinti und Roma Oldenburg“, ist erzürnt: „Daß sowas hier 50 Jahre lang stehen kann und geduldet wird, ist eine unglaubliche Frechheit“. Aus seine Familie wurden allein 19 Menschen vergast, und jetzt stelle man die Täter als Opfer dar, „und die Täter werden besser behandelt als die Opfer. Wenn Rechtsradikale sehen, daß diese Grabstellen auch noch gepflegt werden, mit unseren Steuergeldern, was sollen die denn denken?“ Wenn jemand auf dem Flohmarkt ein Hakenkreuz verkaufe, werde der doch auch belangt. Hier aber nehme man stillschweigend hin und verschiebe Verantwortung. „Das ist eine Saufrechheit.“ Dora Hartmann