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Der Sieger hat immer recht

Ajax Amsterdam, heute im Viertelfinale der Champions League Gegner von Hajduk Split, gilt als heißer Kandidat für das Finale in Wien  ■ Von Falk Madeja

Amsterdam (taz) – Die Meisterschaft hat Ajax Amsterdam fast in der Tasche, die zwei anderen Großklubs keuchen abgeschlagen hinterher. Der PSV Eindhoven spielt in der zweiten Halbserie wenigstens nicht mehr schlecht, Feyenoord Rotterdam wurde von Ajax fast mit der Reserve 4:1 abgefertigt. Das Selbstbewußtsein der Ajax-Kicker ist so gut, daß acht von ihnen vor zwei Wochen das Länderspiel gegen Portugal (0:1) boykottierten, weil sie es als Unverschämtheit des Verbandes betrachteten, ihnen kurz vor dem Viertelfinale der Champions League gegen Hajduk Split eine solche Extrabelastung zuzumuten. Lieber flogen sie ins Trainingslager nach Griechenland. Mit einem Durchschnittsalter von 23 Jahren, mit Spielern wie dem aus Mailand zurückgekehrten Frank Rijkaard, dem 18jährigen Torjäger Patrick Kluivert, der einer der vielversprechendsten Fußballer Europas ist, dem Nigerianer Finidi George, dem treffsicheren Finnen Jari Litmanen, mit de Boer, Overmars, van Vossen und wie sie alle heißen fegte Ajax förmlich durch die Vorrunde der Champions League und wird von den Buchmachern als heißer Favorit für den Finalsieg am 24. Mai in Wien gehandelt.

Ajax Amsterdam spielt heute ein ähnliches System wie Anfang der 70er, als es die beste Mannschaft Europas war: offensiven, schnellen Kombinationsfußball. Aber etwas ist anders: Noch nie waren so viele nichtweiße Spieler im Team wie heute. Kluivert und Clarence Seedorf (18) sind wie Rijkaard surinamischer Abstammung, die Eltern von Mittelfeldspieler Tarik Oulida (20) kommen aus Marokko, um nur einige zu nennen. Funktionäre von Konkurrenzklubs höhnten dümmlich: „Die gute Nachwuchsarbeit von Ajax? Das sind doch alles Neger!“

Kürzlich beim Klassiker Ajax gegen Feyenoord war über die Hälfte der Spieler beider Seiten dunkler Hautfarbe. In nur zehn Jahren hat sich die Struktur der niederländischen Fußballwelt völlig geändert. Ajax trägt diesem Wandel unbewußt Rechnung, wenn es in der kommenden Saison aus dem viel zu kleinen Vereinsstadion de Meer (20.000) am Rande Amsterdams ins neue Stadion (50.000) einzieht. Das Stadion, welches gerade für 180 Millionen Mark hochgezogen wird, liegt nahe Bijlmermeer, einer Hochhaus- Trabantenstadt. In Bijlmermeer gibt es über 100 Nationalitäten, in der U-Bahn dorthin sind Menschen weißer Hautfarbe Exoten.

Seit 1984 verdreifachte sich in Amsterdam die Zahl der Menschen mit Wurzeln in den Ex-Kolonien Surinam und Niederländische Antillen sowie Marokko, die Zahl der nichtweißen Fußballer stieg noch stärker. Für Sonny Hasnoe, Team-Manager der Auswahl Surinams, sind es noch längst nicht genug: „Wenn man sieht, wie viele schwarze Jungs sich bei den Fußballvereinen anmelden, dann sind es in der Ehrendivision sehr wenige.“ Drei bis vier schwarze Spieler in einer Mannschaft seien schon sehr viel, größer lasse man die Zahl nicht werden. „Ich verstehe, daß das Publikum sich möglicherweise schwer mit einer komplett schwarzen Mannschaft identifiziert.“ Er wolle nicht bestimmte Qualitäten ausschließlich einer bestimmten Rasse zusprechen. „Aber Schwarze sind beweglicher, das sieht man beim Tanzen und beim Fußballspielen.“

Schwarze Jungs, die den Durchbruch schaffen, haben sich laut Hasnoe meist an die niederländische Art und Weise des Fußballspielens angepaßt. „Kraft und Schnelligkeit, darauf geben sie in Holland acht. Nur bei Ajax ist das nicht so. Wenn sie nicht aufpassen, dann laufen die anderen Vereine dem deutschen Fußball hinterher: null Kreativität. Weiße Jungs sind von klein auf bei ihrem Klub und werden dort programmiert. Schwarze Jungs dagegen spielen noch auf der Straße, dort ist Fußball noch Improvisation, dort lernt man Ballfertigkeit.“

Co Adriaanse, Chef der Ajax- Jugendabteilung: „Schwarze Jungs kommen meist aus großen Familien, haben wenig Platz im Haus und bekommen relativ wenig Aufmerksamkeit von den Eltern. Darum ist Straßenfußball bei ihnen so populär. Er bietet die Chance, die gesellschaftliche Leiter emporzuklimmen. Sie haben den Jungentraum der 50er übernommen: von der Straße ins Profi- Team.“ Die weißen Jungs hätten längst breitere Interessen.

Auch Adriaanse sieht Vorteile bei Athletik und Improvisationsvermögen. „Vielleicht ist das angeboren.“ Geschmeidigkeit, Schnelligkeit, Kraft, Explosivität und Ausdauer – darauf komme es an beim Fußball – und das sei es, was Ajax ausmache. Er wolle sich vor Vorurteilen hüten, denn auch weiße Jungs hätten derlei Eigenschaften. Bei Ajax sind bei 40 der 160 trainierenden Jungen ein oder zwei Elternteile nichtweißer Herkunft. Adriaanse beteuert, daß bei der Auswahl nicht nach der Hautfarbe gesehen werde. „Wir suchen allein den Typ Fußballer, der zu Ajax paßt.“

Sportphilosoph Jan Tamboer von der Freien Universität Amsterdam ist „unglaublich skeptisch“, wenn nach biologischen Erklärungen gesucht wird. Für ihn ist das Beispiel von Ajax Amsterdam ein wesentlicher Grund dafür, daß schwarze Fußballspieler auch bei anderen Klubs eine immer größere Rolle spielen: „Ajax hat Erfolg damit, also probieren es die anderen ebenfalls. Ajax ist das beste Team, der Sieger hat immer recht.“

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