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Bremer Kuchenbäcker verhungert

■ Brotfabrik Rugenberger hat Konkurs angemeldet / 130 Arbeitslose in Bremen mehr

Den Brief werden die Kuchenbäcker aus Brinkum nicht so schnell vergessen. Gestern bekamen die 130 Bremer Angestellten des Bot- und Kuchenproduzenten Rugenberger GmbH und Co. Post von ihrem Chef. Gérard Joulin, seit rund sieben Jahre Besitzer der Firma, die ihren Sitz in Mühlheim hat, teilte seinen MitarbeiterInnen lapidar mit, er habe am Dienstag abend Konkurs angemeldet – und sich dann nach Frankreich verabschiedet. Mit feundlichen Grüßen. Damit stehen in Brinkum 130 Angestellte auf der Straße. Und nicht nur da steigt die Arbeitslosenzahl. Rugenberger hatte Produktionsstätten in Mülheim/Ruhr, Remscheid, Bönningstedt bei Hamburg und in Schneverdingen. Alles perdu, rund 1.900 Beschäftigte werden arbeitslos, sagte gestern der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Rainer Hamisch. 60-80 Millionen Mark Verbindlichkeiten habe das Unternehmen vor sich hergeschoben, der Jahresumsatz habe im vergangenen Jahr bei 220 Millionen gelegen.

Schon seit einem Jahr kriselt es bei Rugenberger, erzählt der Bremer Betriebsratsvorsitzende Peter Seidel. Seit einem Jahr sind die Löhne und Gehälter im Verzug. Die Angestellten warten noch immer auf ein Monatsgehalt, die Arbeiter gleich auf zwei Monatslöhne. Die allerdings werden ausbezahlt, notfalls vom Arbeitsamt, wenn die Konkursmasse nicht ausreicht. Dafür sorgt das Gesetz über Konkursausfallgeld.

Die Firma habe dem mörderischen Konkurrenzdruck in der Branche nicht mehr standhalten können, erklärt der Betriebsrat. Dieser Konkurrenzkampf habe mittlerweile dazu geführt, daß sich die Unternehmen in die Regale der lukrativen Supermarktketten regelrecht einkaufen müssen. „Die fragen –was zahlst Du denn für den Quadratmeter?– Und dann überbieten sich die Firmen gegenseitig. 1.000, 2.000, 3.000 Mark. Dazu kommen noch die Verhandlungen über die Konditionen. Und was nicht verkauft wird, das muß die Fabrik zurückgeben.“

Das hatte Rugenberger nicht mehr durchhalten können. Daran hatten auch die Rationalisierungen im vergangenen Jahr nichts ändern können. Rugenberger hatte entlassen, vor allem in den Brotfabriken, weniger bei den Kuchenbäckern. In Brinkum wird nur Kuchen produziert, und in dieser Branche hatte es sogar saisonbedingte Einstellungen gegeben. Seidel: „Im August ist Stollensaison, da haben wir schonmal 160 Angestellte, statt 130.“

Der mörderische Konkurrenzdruck – während der Bremer Betriebsrat den Konkurs ganz auf das ungute Treiben in der Branche schiebt, geht sein Mühlheimer Kollege Hamisch viel weiter. Er sprach gestern von einem „betrügerischen Konkurs.“ Der französische Besitzer sei in undurchsichtige Geldgeschäfte verwickelt gewesen. „Das könnte ich so nicht behaupten“, sagte dagegen Seidel. „Wenn man das sagt, dann muß man das auch beweisen können.“ Die Sache sei allerdings ein Fall für den Staatsanwalt und den Konkursverwalter. Der ist seit gestern bestellt.

Nun hoffen die BrinkumerInnen auf die Reanimatiion ihres Betriebes. Seidel: „Es gibt die berechtigte Chance, daß uns jemand übernimmt.“ Aber auch das sei Sache des Konkursverwalters.

Die französische Besitzer-Firma teilte dazu in Paris in einem Fax mit, der Präsident und sein Verwaltungsrat hätten beschlossen, die finanzielle Unterstützung für die deutsche Tochter Rugenberger einzustellen, da man sich künftig auf den französischen Markt konzentrieren wolle. Die Entscheidung sei Teil der Neustrukturierung der Gruppe. Mit der Trennung von Rugenberger verschaffe man sich die nötigen Mittel für die weitere Entwicklung. J.G.

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