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„Irgendwann wächst Gras drüber“

Nach dem Mord an einem Gartenbauingenieur in Lichtenrade und einem Mordversuch am vergangenen Freitag an seinem letzten Auftraggeber ermittelt die Polizei „in alle Richtungen“  ■ Von Barbara Bollwahn

Die Reihe der Ein- und Mehrfamilienhäuser mit gepflegten Gärten in der Nuthestraße in Lichtenrade wird ab und an von kleinen Firmengeländen durchbrochen. Hier hat die Gartenbaufirma „Flöter und Uszkureit“ ihren Sitz. Neben dem Bürogebäude türmen sich Berge von Goldhumus. Orangefarbene Bauwagen warten auf den großen Frühjahrseinsatz.

Für die langjährigen Mitarbeiter der Firma ist es unerklärlich, warum ihr Chef, Hartmut Flöter, am vergangenen Freitag auf offener Straße in Zehlendorf angeschossen wurde. Er führte gerade seinen Hund aus, als er, offenbar aus einem vorbeifahrenden Auto heraus, von einer Kugel getroffen wurde. Die Polizei fahndet noch immer nach einem weißen VW Polo mit Steilheck. Der 53jährige hatte Glück: er erlitt einen Steckschuß im Oberkiefer und konnte selbst die Feuerwehr alarmieren. „Keiner ist der Ansicht, daß hier Sachen gelaufen sein könnten, die das rechtfertigen“, sagte gestern eine Mitarbeiterin der Firma zur taz.

Auch für den Tod des Gartenbauingenieurs Viktor Numankani, der am 9. Februar auf dem Grundstück der Firma erschossen wurde, für die er seit Juli letzten Jahres tätig war, haben die Angestellten keine Erklärung. Numankani, der als „sehr freundlich und aufgeschlossen“ galt, hatte bis zu seinem Tod Kalkulationen für die Firma erstellt, bei der etwa 50 Mitarbeiter beschäftigt sind. Für die Polizei steht fest, daß zwischen den beiden Taten ein Zusammenhang besteht.

Drei Wochen nach dem Mord an Numankani und fünf Tage nach dem Mordversuch an Flöter geht die Arbeit in der Firma wie gewohnt weiter. „Arbeit ist der beste Heiler“, sagte gestern eine Mitarbeiterin zur taz. An den 9. Februar erinnert sie sich noch gut: gegen sieben Uhr morgens klingelte es an der Firmentür. Sie betätigte den Türdrücker und wunderte sich, daß keiner aufmachte. Dann hörte sie einen Knall. Numankani, der von mehreren Schüssen im Oberkörper getroffen wurde, konnte sich noch ins Büro schleppen und berichten, daß auf ihn geschossen wurde. Numankani starb noch am Tatort. „Irgendwann wird Gras über die Sache gewachsen sein“, hofft die Mitarbeiterin, die Numankani die Tür geöffnet hatte.

Daß es sich im Fall des erschossenen Numankani um einen Auftragsmord handelt, steht für die Zweite Mordkommission zweifelsfrei fest. Bei dem Attentat auf Hartmut Flöter, Numankanis letzten Arbeitgeber, geht die Polizei von versuchtem Mord aus. Die Hintergründe jedoch liegen noch völlig im dunkeln. „Bei Mord ermitteln wir grundsätzlich in alle Richtungen“, so Wolfgang Klaffer von der Zweiten Mordkommission. Vermutungen, daß Numankani, dessen Eltern aus Usbekistan stammen, enge Kontakte zu extremen türkischen Gruppierungen gehabt haben soll, haben sich nicht bestätigt, sagte Kleffer weiter.

Numankani hatte sich bereits lange Zeit vor seinem Tod bedroht gefühlt. Am 17. Mai 1994 war er auf dem Hinterhof seiner Wohnung in Steglitz von zwei Männern überfallen und mit einer Eisenstange geschlagen worden. Das war nicht die einzige Anzeige, die er gegen Unbekannt erstattete. Er und seine Frau Hannelore fühlten sich bedroht und hatten angeblich Angst vor Killern.

Numankani war vor seinem Engagement bei Flöter Geschäftsführer und Gesellschafter bei der Gartenbaufirma Arnu, die Ende letzten Jahres von Baron Wolfgang von Derschau übernommen wurde. Der Baron, der unter anderem die beiden Doppel-Hochhäuser in der Leipziger Straße von der Wohnungsbaugesellschaft Mitte gekauft hatte, ist zusammen mit dem ehemaligen Bürgermeister Walter Momper im Aufsichtsrat der Baufirma „Christiani & Nielsen“. Zur Unternehmensgruppe Baron Wolfgang von Derschau gehören neben Hausreinigungs- und Dienstleistungsbetrieben vier Firmengruppen, die nach Angaben von Derschaus im sozialen Wohnungsbau tätig sind.

Das Gerücht, daß Numankani, der über ein Jahr vor der Übernahme von Arnu ausgeschieden ist, deren Konkurs angemeldet habe und ihm das Feinde gemacht haben könnte, kommentierte von Derschau mit den Worten: „absoluter Schwachsinn“. Bis zu seinem Tod hatte Numankani behauptet, daß sein früherer Geschäftspartner einen Killer angeheuert habe. Das konnte er jedoch genausowenig beweisen wie angebliche Betrugsgeschäfte in der alten Firma.

Über den Zustand des am Freitag angeschossenen Flöter und seinen Aufenthalt gibt die Polizei keinerlei Auskünfte. Weder ob er sich noch im Krankenhaus befindet, noch ob er wieder zu Hause oder bei Freunden bzw. Bekannten untergetaucht ist. „Man muß damit rechnen, daß er nochmals ins Fadenkreuz gerät“, so die Polizei. Derzeit gehe man jeder Spur nach, auch wenn sie wenig erfolgversprechend erscheine.

Hartmut Flöter ist seit vielen Jahren Vorstandsmitglied des Fachverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Berlin/ Brandenburg e.V., in dem 135 Berliner und Brandenburger Gartenbaufirmen vertreten sind. Der Geschäftsführer des Verbandes, Michael Bislich, hat keine Erklärung für die „Methoden, die wir aus anderen Ländern kennen“. Im Fachverband sei man „menschlich betroffen“ über den Mord und den Mordversuch.

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