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Die Aufrüstung zur Krisenreaktion

Die Landesverteidigung wird zum legitimatorischen Nebenjob der Bundeswehr, im Zentrum steht die Aufrüstung der Krisenreaktionskräfte / Die Kosten sind immens, bei der Beschaffung der Mittel ist jeder Trick recht  ■ Von Stefan Gose

Am 14. Dezember 1994 legte Finanzminister Waigel den zweiten Entwurf zum Bundeshaushalt 1995 vor. 484,1 Milliarden Mark soll der Bundeshaushalt 1995 betragen (1994: 479,95). Mit 47,9 Milliarden Mark beliefe sich der Anteil des Bundesministers der Verteidigung auf 9,89 Prozent des Gesamthaushaltes. Weil darüber hinaus viele verteidigungsrelevante Ausgaben von anderen Bundesministerien bezahlt werden, betragen die deutschen Rüstungsausgaben nach Nato-Standards bereits 59,23 Milliarden Mark oder 12,22 Prozent des Gesamthaushaltes. Hinzu kommen all die Ausgaben anderer Ministerien, die ohne Bundeswehr nicht denkbar wären. Dazu zählen Zivildienstkosten, Soldatenpensionen, UN-Missionen, Wehrbeauftragter, Nato-Verbündete in Deutschland, militärische Forschung, Bundesgrenzschutz, Militärhilfen, Rüstungsexportbürgschaften, Wehrstrafgrichtsbarkeit, militärisches Bauwesen, Zivilverteidigung und vieles mehr. Insgesamt ergeben sich je nach Zuordnung Gesamtverteidigungskosten von bis zu 80 Milliarden Mark oder etwa 16,5 Prozent des Bundeshaushaltes.

„Für die Landesverteidigung ist die Bundeswehr derzeit im wesentlichen ausreichend gerüstet. [...] Priorität hat die Ausrüstung der Krisenreaktionskräfte“, erklärt das Verteidigungsministerium (BMVg) in seinem Weisbuch 1994. Weil die Fortführung antiquierter Kalter-Krieg-Projekte dem BMVg aber kaum finanziellen Spielraum zur Out-of-area-Bewaffnung läßt, hat sich die Hardthöhe einige milliardenschwere Beschaffungstricks vorgenommen. Im folgenden werden die zentralen und umstrittensten Waffenprojekte für künftige Out-of-area-Einsätze, über die der Deutsche Bundestag zur Zeit berät, vorgestellt.

Fiktive Personalkosten

„So kann kein Unternehmen bestehen“, kommentierte das Branchenblatt Wehrtechnik die geplanten Ausgaben zur Waffenbeschaffung im Entwurf des Verteidigungshaushaltes. „Der Bundeswehr fehlt im Prinzip alles, um in die Ferne zu schweifen“, folgerte die Zeit nach der Pannenserie in Somalia. Damit sich dies ändert, hat Volker Rühes Ministerium einen besonderen Finanzierungstrick ersonnen: „Die Personalkosten für die Bundeswehr sind um über 30.000 Mann zu hoch angesetzt. Die dadurch erwirtschafteten Gewinne sollen zur Erhöhung des investiven Anteils im Verteidigungsetat beitragen [...] Die Erhöhung des investiven Anteils soll genutzt werden, um die Bundeswehr an die, sich aus dem neuen Aufgabenspektrum ergebenden, künftig erforderlichen Fähigkeiten anzupassen und dadurch die volle Befähigung der Bundeswehr zur integrierten Krisenreaktion zu erreichen“, erläuterte der parlamentarische Staatssekretär beim BMVg, Bernd Wilz das folgende Personalgemauschel: Der Haushaltsentwurf geht bei den Personalkosten für die Bundeswehr vom „Personalstrukturmodell/PSM 370“ aus. Das heißt, gemäß der Obergrenzen des Vertrages über Konventionelle Sicherheit in Europa (KSE) sind ab 1995 Finanzmittel für 370.000 Soldaten eingeplant. Tatsächlich verfolgt das BMVg aber bereits seit Juli 94 eine reduzierte Bundeswehrstärke von 340.000 Soldaten. Auch die im PSM 370 vorgesehene Zahl von 151.300 Zivilbeschäftigten der Streitkräfte wurde bereits auf etwa 140.000 reduziert. Damit können „Personalkosten“ für mehrere 10.000 Soldaten und Zivilbeschäftigte zweckfremd eingesetzt werden. Alf Fischer, Haushaltsabteilungsleiter im BMVg, rechnet mit etwa 1 Milliarde Mark „mittelfristiger Entlastungseffekte“ durch diese fingierten Kosten. „Die erwirtschafteten Gewinne aus Rationalisierung und der Verringerung des Personalumfangs durch Zurücknahme des Friedensumfangs müssen dem Verteidigungshaushalt erhalten bleiben. Nur so können der investive Anteil erhöht und die Anfangsinvestitionen geleistet werden, die für den Beginn von Rationalisierungen im Betrieb nötig sind“, forderte Volker Rühe bereits im vergangenen Juli in seiner „Konzeptionellen Leitlinie zur Weiterentwicklung der Bundeswehr“. Das Verteidigungsministerium hat diese geplante Geldumschichtung im Januar bestätigt. Zu Einsparungen würde es 1995 aber nicht kommen, da die Reduzierung der Bundeswehr auf 340.000 Soldaten erst ab 1996 beginnen soll. Peinlicherweise offenbarte aber der Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, bereits im September 1994: „Wir haben heute noch eine Ist-Stärke von rund 355.000 Mann.“ Der Truppenabbau hat also begonnen, lange bevor Minister Rühe ein Konzept dafür entwickelt hat. Der Bundestag soll nun falsch deklarierte „Personalkosten“ beschließen, die schon 1995 für neue Waffen ausgegeben werden. In diese Linie paßt die Enthüllung des Nachrichtenmagazins Focus vom März 1994, daß das Verteidigungsministerium seit 1983 etwa 2,5 Milliarden Mark „einsparte“, indem es keine Rentenbeiträge für seine Soldaten abführt.

Beschaffungsprojekte

Die vorhandenen Mittel des Verteidigungsetats stehen durch langfristige Bindungen kaum für wirklich neue Beschaffungsprogramme zur Verfügung. Insbesondere für die Ausrüstung der Krisenreaktionskräfte (KRK) fehlt der Hardthöhe des Geld. Die Folge: Laufende Beschaffungsprojekte werden modifiziert, verringert, gestreckt und umgewidmet. Neue Verteidigungsprojekte werden durch Umschichtungen finanziert oder in anderen Haushalten versteckt. Von der Vielzahl der Waffenprogramme seien hier nur die spektakulärsten erwähnt:

Minenräumpanzer Keiler

Neu beschafft werden 24 Minenräumpanzer Keiler, die bis 1999 von MaK, Kiel (Rheinmetall), ausgeliefert werden. Ab 2000 sollen weitere 48 Keiler beschafft werden. Nach den Erfahrungen aus dem zweiten Golfkrieg, wo die meißten Kampfpanzerverluste der USA durch Landminen verursacht wurden, entdeckt nun auch die Bundeswehr, daß sie bei Out-of- area-Einsätzen Minenfeldern weitgehend hilflos gegenüber steht. „Bislang werden verdeckt verlegte Minen nur durch unbeabsichtigte Auslösung ,aufgeklärt‘“, umschreibt die Wehrtechnik solche Himmelfahrtskommandos.

Kampfpanzer Leopard II

Zwischen 1994 und 1998 sollen 225 Leopard II von Krauss-Maffei für die Krisenreaktionskräfte mit verstärkter Turmpanzerung und Nachtsichtgeräten „kampfwertgesteigert“ werden. Obwohl der Übersee-Einsatz des schweren Kampfpanzers vergleichsweise unwahrscheinlich ist, wurde diese Maßnahme bereits 1993 beschlossen, um den alternden Leo II für die damals bevorstehende schwedische Panzerkaufentscheidung als konkurrenzfähig zu präsentieren.

Panzerhaubitze 2000

Das größte Beschaffungsprojekt der Heeres bis zur Jahrtausendwende soll die Panzerhaubitze 2000 (Wegmann/MaK/Rheinmetall/Honeywell/MTU) werden. Statt der veranschlagten 450 Millionen Mark hat die Entwicklung dieses schweren Panzerartilleriegeschützes bereits 550 Millionen Mark verschlungen. Die Erprobung des „Nachfolgers“ für die 30 Jahre alte M-109G soll 1995 beendet sein. Ob es 1996 tatsächlich zu einem Beschaffungsvertrag über 185 PzH 2000 kommt, die ab 1998 ausgeliefert würden, ist noch offen. Denn ein potentielles Gefechtsfeld wie zu Planungsbeginn 1986/87 existiert in Deutschland nicht mehr. Nicht zufällig wird die Haubitze gerade in Kanada und Arizona auf Winter- beziehungsweise Sommertauglichkeit – also für Out-of-area-Einsätze getestet.

MRCA PA-200 Tornado

Bereits im Juni 94 wurden für Verbesserungen der Flug- und Taktiksimulatoren des Kampfflugzeuges Tornado (Dasa/British Aerospace/Casa) 89,8 Millionen Mark bewilligt. Weitere 120,8 Millionen Mark bewilligten Haushalts- und Verteidigungsausschuß des Bundestages allein für die Entwicklungsverträge zur taktischen Luftaufklärung des Tornados. Aufgrund der Ausmusterung der RF-4E-Phantom-II-Aufklärer ist dies ein Kompensationsversuch, bei dem Infrarot-„Reconnaissance Auswerte- und Meldeanlagen/ RAMA“ als Flügelaußenlasten den Tornado IDS in einer Doppelrolle zum taktischen Kampfaufklärer machen sollen. Für 1995 sind zusätzliche 133 Millionen Mark für Tornado-Entwicklungen sowie Entwicklungs-Verpflichtungsermächtigungen 1996 bis 1998 von 181 Millionen Mark vorgesehen. Weitere 175 Millionen Mark für die Beschaffung und Serienfertigung sollen für die RAMA-Produktions- und Wartungsanlagen 1995 ausgegeben werden.

PAH-2 Tiger/UHU

Für den Unterstützungshubschrauber/UHU, besser bekannt unter seinem Kalten-Krieg-Namen „Panzerabwehrhubschrauber/PAH-2 Tiger/Gerfaut“ (MBB/ Aerospatiale), ist 1995 keine einzige Beschaffungsmark eingeplant. Zwischen 1996 und 2001 sollen aber Verpflichtungsermächtigungen von 405 Millionen Mark den Kauf des produktionsreifen Nachfolgers des Panzerabwehrhubschraubers PAH-1/Bo-105P sichern. Die geplante Stückzahl wurde von 212 bereits auf 138 reduziert. Bei einem Stückpreis von knapp 50 Millionen Mark sind jedoch milliardenschwere Nachforderungen vorprogrammiert. Einstmals konzipiert gegen einen großangelegten Panzerangriff des Warschauer Vertrages, soll der Hubschrauber nun zu einer zentralen Waffe der Krisenreaktionskräfte werden. Die durchsichtige Taktik des BMVg ist, daß das Parlament dem Hubschrauber grundsätzlich zustimmt, zumal er 1995 scheinbar nichts kostet. Denn daß 1995 weitere Millionen aus dem Wehrforschungstitel in den PAH-2 fließen, verrät der Haushaltsentwurf nicht. Der Pferdefuß sind die Verpflichtungsermächtigungen, die der Bundestag damit bis 2001 für einen Angriffshubschrauber bewilligen würde, den das Verteidigungsministerium nun als harmlosen Unterstützungshubschrauber verkauft

NH-90

Der Nato-Hubschrauber 90 (MBB/Aerospatiale/Agusta/Fokker) soll als zentraler Transport- und Unterstützungshubschrauber der Krisenreaktionskräfte ab 2005 die Modelle UH-1D, Sea King Mk. 41, Sea Lynx Mk. 88 und möglicherweise CH-53 Stallion ablösen. 272 NH-90 sind für die drei deutschen Teilstreitkräfte vorgesehen. Von den bisher 2,9 Milliarden Mark Entwicklungskosten trägt die Bundesrepublik ihren Programmanteil von 24 Prozent. Während die Heeresversion TTH des NH-90 27 Millionen Mark pro Hubschrauber kosten soll, veranschlagt die Industrie 13 Millionen Mark pro NFH-Marinehubschrauber. Allein für die 38 NFH-90 sind 2,335 Milliarden Mark eingeplant. Dies allerdings zum Preisstand von 1991 und ohne Mehrwertsteuer. Der erste Prototyp soll 1995 fliegen, ab 2003/2010 soll die Auslieferung des NH-90 beginnen.

Jäger 90

Eurofighter 2000/EFA

Allein der deutsche Anteil (33 Prozent) für den potentiellen Nachfolger des Jagdbombers F-4F Phantom II, den Eurofighter 2000 (British Aerospace/Dasa/Alenia/ Casa), hat seit Vertragsabschluß 1988 bis heute 7,6 Milliarden Mark Definitions- und Entwicklungskosten statt der geplanten 5,8 Milliarden Mark verschlungen. Hinzu kommt die Industrieforderung über 570 Millionen Mark, die sich aus der Neukonzeption des einstigen Jäger 90 zum abgespeckten Eurofighter 2000 ergab. Weitere „Eskalationskosten“ durch Inflation sowie die Kosten für Produktionsanlagen bei einer Serienfertigung und für Waffensysteme wurden auch noch nicht berücksichtigt. Während der ursprüngliche Jäger 90 etwa 135 Millionen Mark pro Stück kosten sollte, errechnete der Bundesrechnungshof für den neuen „Jäger light“ Stückkosten von 130 bis 150 Millionen Mark, womit die Gesamtbeschaffung der EFA etwa 21 Milliarden Mark kosten würde. Für 1995 sind zur EFA-Weiterentwicklung 640 Millionen Mark vorgesehen, weitere 110 Millionen Mark stehen „zur Stärkung des EF 2000 Titels“ als zusätzliche Entwicklungsgelder bereit. Diese 750 Millionen sollen ausgegeben werden unabhängig davon, ob im Herbst 1995 eine Beschaffungsentscheidung für die geplanten 140 Jagdbomber fallen wird. Am 27. März 94 flog der erste Prototyp DA-1 in Manching, doch der dritte Prototyp DA-3 kann immer noch nicht abheben, weil das extra für den Jäger 90 konstruierte EJ200 Triebwerk (Rolls Royce/ MTU/Fiat Aviazone/ITP) nicht funktioniert. Spektakuläre Flugmanöver des Jäger 90 wurden bisher nur am Simulator riskiert. Der Bundesrechnungshof hat in einem dritten vernichtenden Bericht festgestellt, daß der Jäger weit mehr als den politisch zugelassenen Stückpreis von 100 Millionen Mark kosten wird. Und dies für ein „unausgewogenes Waffensystem“, daß „den erwarteten Leistungssprung nicht erreiche“ und dessen „erwartete Leistungsfähigkeit kaum höher als bei bereits vorhandenen Waffensystemen“ sei.

Future Large Aircraft/FLA

Über den geplanten Nachfolgetransporter der C-160, die größere und out-of-area-taugliche „Future Large Aircraft“, wurde im Bundestag noch nie debattiert. Dennoch stehen bereits das Entwicklungskonsortium (Euroflag), genaue technische Anforderungen, Maße und einzubauende Systeme für das Alternativmodell zu den US-Transportern C-130 Hercules und der deutsch-französischen C-160 Transall fest. „Euroflag [F, I, P, E, TR, GB, B, D] soll als industrieller Partner der Westeuropäischen Union (WEU) das FLA entwickeln.“ In nicht ausgewiesener Höhe finanziert das Verteidigungsministerium Forschungsarbeiten zu der FLA, eine erste Machbarkeitsstudie soll Mitte 1995 abgeschlossen sein. Ebenso heimlich wurden 10 Millionen Mark für 1995 von der EU zur Entwicklung der FLA bewilligt, womit die EU erstmals in ein militärisches Projekt investiert. Damit nicht genug, gibt es bereits Überlegungen, die Luftwaffe neben der FLA mit strategischen Großraumflugzeugen von der Größenordnung C-5 Galaxy, C-17 Skylifter oder AN 124 auszustatten. Da eine europäische Eigenentwicklung voraussichtlich zu teuer würde, werden sowohl Importe als auch eine militärische Airbus-Transportvariante A-340X diskutiert.

RAM

Nach vernichtenden Prüfungsergebnissen des Bundesrechnungshofes soll die „Rolling Air-Frame Missile/RAM“ (Dasa/Diehl/ Hughes Missiles) nur noch in verringerter Stückzahl beschafft werden. Gleichzeitig wird bereits eine „Kampfwertsteigerung“ für die nagelneue RAM mit weiteren Entwicklungsmillionen vorgenommen. Sie ist zum Selbstschutz der acht Fregatten der Kl. 122, der vier Fregatten Kl. 123, der drei Zerstörer der Kl. Z 103 B sowie für zehn Schnellboote der Kl. 143 A vorgesehen. Die RAM-Rakete gilt als unwirtschaftlich und trifft bestenfalls wärmeabstrahlende Seezielflugkörper, die relativ hoch, langsam und möglichst nur geradeaus fliegen dürfen.

Fregatte F-123

Nach der Auslieferung der ersten beiden Fregatten der Klasse KL. 123 im vergangenen Jahr sind 1995 zwei weitere F-123 unter Federführung der Blohm + Voss AG, Hamburg, bei HDW/Kiel und den Thyssen Nordseewerken/TNW in Emden in Bau. Sie sollen die 30 Jahre alten Zerstörer der Hamburg-Klasse ablösen.

Fregatte F-124

Gemeinsam mit der niederländischen Werft Royal Schelde entwickeln die Werften Blohm + Voss, Bremer Vulkan, Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) und Thyssen Nordseewerke (TNSW) die Fregatte 124 als Nachfolger der Zerstörer Kl. 103 B. Im Herbst 95 soll über den Bau von drei F-124 zum Preis von 2,694 Milliarden Mark beschlossen werden, die ab 96 gebaut werden könnten.

U-212

Drei Milliarden Mark will die Bundesregierung für vier U-Boote ausgeben. Am 6. Juli 1994 wurden die Verträge vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) mit der Industrie unterzeichnet. Zwischen 2003 und 2006 sollen je zwei U-Boote der Klasse 212 von den HDW (Kiel) und den TNSW (Emden) ausgeliefert werden. Das Kernstück des U-212 soll ein außenluftunabhängiger Brennstoffzellenantrieb auf Basis einer Wasserstoff/Sauerstoff-Elektrolyse sein, durch den das U-Boot über 20 Tage im getauchten Zustand fahren kann. Weil das neue „Sonar 90“ weiter reicht, als die vorhandenen Torpedos, will das BMVg gleich eine neue Bewaffnung: „Die Entwicklung auf dem Gebiet der Plattformen, Sensoren und Effektoren hat dazu geführt, daß sich ein Leistungsloch auftut zwischen der Ortungsreichweite des tieffrequenten Sonars und der Waffeneinsatzreichweite bzw. Geschwindigkeit des Torpedos. Hieraus leitet sich die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des eingeführten Mark 2A3 zum Mark 2A4 für U 212 ab.“ Bis 1994 hat das U-212 bereits staatliche Entwicklungskosten von 240 bis 260 Millionen Mark verschlungen. Im Entwurf zum Verteidigungshaushalt 1995 sind alleine Beschaffungskosten als Verpflichtungsermächtigungen 1997 bis 2007 von 2,6 Milliarden Mark eingeplant.

Hubschrauberträger

„Mehrzweckschiff“

Als nach dem überstürzten US- Abzug aus Somalia kein Platz für deutsche Soldaten und Gerät auf amerikanischen Schiffen blieb und die deutschen Verbände notdürftig von Fregatten abgeholt werden mußten, nahm dies Generalinspekteur Naumann am 6. Februar 1994 zum Anlaß, ein „Mehrzweckschiff“ für die Bundeswehr entwerfen zu lassen. Hinter dem harmlosen Namen verbirgt sich nicht weniger als ein Flugzeugträger mit einer Wasserverdrängung von 20.000 Tonnen. Das Mehrzweckschiff soll gleichzeitig als schwimmende Kommandozentrale mit bis zu 100 Offizieren deutsche Out-of- area-Einsätze leiten, als Truppentransporter für bis zu 1.200 Soldaten und schweres Gerät, Munition und Treibstoff dienen und daneben als Lazarettschiff bis zu 200 verwundete Soldaten versorgen können. Außerdem soll das Mehrzweckschiff zwei Landungsboote dabei haben. 16 mittlere Transporthubschrauber CH-53 Stallion und vier Kampfhubschrauber Sea Lynx Mk. 88 (später MH-90 und UHU) sollen auf dem Hubschrauberträger stationiert werden, dessen Laderumpf für schwere Kampffahrzeuge nach dem umstrittenen Ro-Ro-Prinzip ziviler Fähren konstruiert werden soll. Weil die Bundesrepublik mit diesem Schiff, so schwer wie einst die kaiserlichen Panzerkreuzer, technisches und militärisches Neuland betreten will, zugleich aber das Mehrzweckschiff bereits 1999 vom Stapel laufen soll, drängt die Zeit. Deshalb soll auf bewährte Technologien aus dem zivilen Schiffbau und bereits vorhandene Waffensysteme (RAM, Hawk, Roland) zurückgegriffen werden.

Finanziert werden die augenblicklichen Mehrzweckschiff-Studien der Hamburger Marinetechnik GmbH aus Forschungsmitteln des Verteidigungsetats. Bereits die Kosten eines unbewaffneten Mehrzweckschiffes werden auf über 500 Millionen Mark geschätzt. Im Sommer 1995 soll die „taktisch-technische Forderung“ des Mehrzweckschiffes vom Verteidigungsministerium gebilligt werden. Bereits Ende 1996 soll der Bundestag die nötigen Millionen für das neue Herz der deutschen Krisenreaktion beschließen.

Spionagesatelliten

Helios und Osiris

„Ressortübergreifend“ will die Bundesregierung in die Satellitenspionage einsteigen. Denn kein Ministerium möchte die dafür veranschlagten acht bis zwölf Milliarden Mark aus eigener Tasche abzweigen. Bei künftigen Out-of- area-Einsätzen möchte die Bundeswehr nicht länger von amerikanischen Satellitenbildern abhängig sein.

Die Golfkriegserfahrungen mit wetterstörungsanfälligen Satellitenbildern und einer manipulierten Informationsweitergabe führten im Juni 1991 zum Beschluß der WEU-Außen- und Verteidigungsminister, Dornier mit einer 10-Millionen-Mark-Studie für einen eigenen WEU-Spionagesatelliten zu beauftragen. Gleichzeitig wurde die Errichtung eines „WEU Satellite Center“ (SC) auf der US-Luftwaffenbasis Torrejn bei Madrid zur Auswertung von Satellitenaufnahmen beschlossen. Drei WEU- Satelliten sollen zunächst zwischen 2000 und 2005 die Erde umkreisen. Die Bilder eines optischen (Helios 1B) und eines Radar/Infrarot-Satelliten (Osiris) sollen von einem geostationären Datenrelais-Satelliten (DRS) verstärkt zur Erde gesendet werden. Helios 1B soll eine Weiterentwicklung des französischen Fotosatelliten SPOT-5 sein, während beim Radarsatelliten Osiris besonders die deutschen Erfahrungen aus dem ERS-1/2-Programm der Europäischen Raumfahrt-Agentur (ESA) genutzt werden sollen. Die dritte Helios-II- Komponente, die DRS-Satelliten, fliegen bereits in anderen Missionen. Allerdings werden sie von der ESA betrieben, als deren Mitglied sich auch die Bundesrepublik ausschließlich zur zivilen Weltraumnutzung verpflichtet hat. Damit wäre Schluß, wenn das Forschungsministerium jährlich 50 Prozent seines 1,6-Milliarden- Mark-Raumfahrthaushaltes allein für das Helios-Programm ausgeben müßte.

Das Programm Helios II soll zwischen 2,9 und vier Milliarden Ecu kosten. In einer weiteren Planung sind ab etwa 2010 sechs Satelliten für 12,4 Milliarden Ecu (rund 23 Mrd. Mark) vorgesehen. Weil in diesen Preisen Betriebskosten, mobile Bodenstationen und Raketentransporte nicht inbegriffen und die Zahlen zudem am Preisstand von 1992 fixiert sind, beliefe sich das Gesamtprogramm auf mindestens 30 Milliarden Mark. Da Spanien und Italien aus finanziellen Gründen bei Helios II ausgestiegen sind, drängt Frankreich die Bundesregierung, sich zu etwa 10 Prozent an Helios 1B zu beteiligen. Für Osiris soll die Deutsche Aerospace/Dasa mit etwa 40 bis 50 Prozent sogar die Systemführerschaft erhalten, damit das deutsche Radar-Know-how von X-Sar eingebunden werden kann. Damit entfiele auf die Bundesrepublik ein Finanzierungsanteil von rund 12 Milliarden Mark des Helios-II-Gesamtprogramms.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat bereits seit 1985 Bedarf an einem Spionagesatelliten angemeldet, um vollständigere, aktuellere Lagebilder zu bekommen und um mit eigenen Satellitenbildern mehr Aufklärungsergebnisse von „Partnerdiensten“ eintauschen zu können. Das „neue Aufklärungskonzept“ der Bundesregierung wurde von BND-Chef Porzner (SPD) mit Generälen im Verteidigungsausschuß des Bundestages diskutiert. Am 4. Mai 1994 stimmte der Bundessicherheitsrat dem Projekt Helios II grundsätzlich zu. Bei der Präsentation des französisch/ italienisch/spanischen Helios-IA- Satelliten im Januar 1995 bekräftigte Verteidigungsminister Rühe das „Interesse Deutschlands“ am Helios-II-Programm, wobei er die Frage des deutschen Finanzierungsanteils offen ließ. Die Beschaffungsentscheidung für das Helios-II-Programm soll auf der WEU-Frühjahrstagung im Mai 1995 fallen. Im März 1995 wird eine interne deutsche Entscheidung erwartet.

Eine zentrale Vorentscheidung stellen die gegenwärtigen bundesdeutschen Haushaltsberatungen dar. Denn die Bundesregierung müßte entsprechende Milliarden- Verpflichtungsermächtigungen bewilligen lassen. Da im aktuellen Haushaltsentwurf nur Bruchteile für Helios II versteckt sind, steht zu befürchten, daß die Bundesregierung den Vertrag erst abschließen möchte, um dann mit Verweis auf internationale Verpflichtungen die Milliarden in einem späteren Nachtragshaushalt zu erzwingen.

Fazit

Nur ein Bruchteil der geplanten Großprojekte der Bundeswehr soll der nationalen Landesverteidigung dienen. „Außer zur Verteidigung dürfen Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt“, lautet Art. 87a Absatz 2 des Grundgesetzes. Zwar sieht die deutsche Verfassung keinerlei weltweite Militäreinsätze „ausdrücklich“ vor. Doch seit dem Out-of-area- Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1994 wird die Ausnahme zur Regel: Landesverteidigung wird zum legitimatorischen Nebenjob der Bundeswehr. Die dafür „notwendigen“ Waffen sind fast durchgängig im Überfluß vorhanden.

Die geplante Aufrüstung zur Krisenreaktionsfähigkeit hat keinen Verfassungsauftrag. Sie bedeutet eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik, für die bei den gegenwärtigen Haushaltsberatungen langfristig die Weichen gestellt werden sollen.

Der Autor ist Redakteur der Monatszeitschrift „antimilitarismus information“.

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