: Major wie ein nasser, glitschiger Fisch
■ Pyrrhus-Sieg für Großbritanniens Premier John Major im Unterhaus / Nordirlands Unionisten stimmen mit Labour
Dublin (taz) – Der britische Premierminister John Major hat am späten Mittwochabend eine wichtige Unterhausabstimmung gewonnen, aber so richtig froh kann er darüber nicht sein. Zwar wurde der Antrag der Labour Party, die Europapolitik der Regierung in Bausch und Bogen zu verdammen, mit einer Mehrheit von fünf Stimmen abgelehnt, doch die Spaltung der konservativen Tories geht immer tiefer.
Von den neun Hinterbänklern, die seit November aus der Fraktion ausgeschlossen sind, weil sie gegen das EU-Finanzierungsgesetz votiert hatten, stimmten vorgestern vier für Major, die anderen enthielten sich. Überraschend enthielt sich aber auch der bisher eher unauffällige Abgeordnete Bill Cash der Stimme, und Majors früherer Schatzkanzler Norman Lamont unterstützte gar den Labour- Antrag. Da auch die neun Abgeordneten der nordirischen Ulster Unionist Party aus Protest gegen das anglo-irische Diskussionspapier zu Nordirland mit der Opposition stimmten, mußte Major bis zum Schluß zittern.
In der vorangegangenen Debatte hatte er sich keine neuen Freunde gemacht. Allen wollte Major es recht machen, den Eurofans und den Eurogegnern – und am Ende verärgerte er beide Seiten. Dem europafreundlichen Flügel stellte er den britischen Beitritt zur Europäischen Währungsunion in Aussicht, „falls die Voraussetzungen stimmen“, den Rebellen versprach er, der Währungsunion fernzubleiben, „wenn die Voraussetzungen nicht gegeben sind“. Das war denen freilich nicht genug: Für sie geht es ums Prinzip, nicht um den Zeitpunkt.
Deshalb fordern sie einen Volksentscheid, doch auch in diesem Punkt zappelte Major wie ein nasser, glitschiger Fisch: „Falls eine künftige Regierung in Richtung Währungsunion voranschreitet, könnte sie unter Umständen die Zustimmung der Nation in einem Referendum benötigen.“ Solcherlei Gestammel gefiel lediglich dem ehemaligen Tory-Vorsitzenden Norman Fowler: „Ich freue mich, daß der Premierminister diese Option so eindeutig offengehalten hat“, sagte er. Der Ärger kam prompt: Gegen eine Volksabstimmung sprach der 79jährige Edward Heath, der von 1970 bis 1974 Premierminister war und Großbritanniens Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft durchgesetzt hatte.
Labour-Chef Tony Blair, der seine Partei inzwischen auf Europakurs getrimmt hat, belehrte Major, daß ein Referendum kein Ersatz für Regierungspolitik sein könne. Eine Regierung könne mit „Einheit ohne Eindeutigkeit leben, oder mit Eindeutigkeit ohne Einheit“ – aber nicht mehr länger ohne beides, sagte Blair. Ralf Sotscheck
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