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Die Opfer sind keine Namenlosen

■ In Schwäbisch Gmünd streitet eine Bürgerinitiative für eine Namensgedenktafel für von Nazis ermordete Bürger / Säcke voll mit Unterschriften gesammelt

Berlin (taz) – Bislang war Schwäbisch Gmünd, die alte Stauferstadt am Rand der Ostalb, ein sehr gemütlicher Ort. Seit zwei Wochen ist es mit dieser Behaglichkeit vorbei. Die Bewohner diskutieren, füllen die Leserbriefspalten der beiden Lokalzeitungen, halten Versammlungen ab und all das mit einer ernsthaften Leidenschaft, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr zu spüren war.

Seit vergangener Woche läuft auch ein „Bürgerantrag“ – erst der zweite seit 1945 –, und schon nach vier Tagen war klar, daß die notwendigen 1.800 Unterschriften zusammenkommen werden, um eine Entscheidung der Politik zu revidieren. Heute wird der Sack mit den Unterschriften dem Bürgermeister übergeben. Schuld an der Aufregung ist der Gemeinderat und dessen Arroganz, zu meinen, alleine über ein Thema entscheiden zu können, was wahrhaftig an die Öffentlichkeit gehört.

Es geht um das Gedenken an das Kriegsende vor fünfzig Jahren, konkret um den Text einer Gedenktafel, die am 8. Mai am repräsentativsten Ort der Stadt, am Kulturhaus „Prediger“, feierlich angebracht werden soll.

Über zwei Textvorschläge, die beide in der Stadt zuvor förmlich als geheime Angelegenheit behandelt worden waren, hatte der Gemeinderat am 16. Februar alternativ zu befinden. Der eine kam von der CDU, der andere von der SPD und den Grünen; erarbeitet von dem Schwäbisch Gmünder Historiker Kurt Seidel. In beiden Texten wird „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft [...] den Millionen ermordeter Juden, Sinti und Roma ...“ und allen Schwäbisch Gmünder Bürger gedacht, die während des „nationalsozialistischen Terrors ihr Leben verloren haben“. Der gewaltige Unterschied: Im Textvorschlag von SPD und Grünen sind 28 ehemalige Bürger der Stadt namentlich aufgeführt, die zwischen 1933 und 1945 ermordet wurden. Umgebracht, weil sie Juden, politisch mißliebig oder gar Widerstandskämpfer waren. Diesen Namensvorschlag lehnte die konservative Mehrheit, mit Ausnahme des CDU-Oberbürgermeisters Gerhard Rembold, ab. Ihre Begründung: Namen würden die Geschichte „personalisieren ..., Betroffenheit erzeugen, aber keine gedankliche Verbindung zum Gewaltensystem der betreffenden Zeit erzeugen“. Die FDP sekundierte, daß die Liste durch die Nachkriegseingemeindung von Teilorten überhaupt nicht vollständig sein könne, und prinzipiell, daß „Namen verblassen“, daß sie zu „Schall und Rauch“ werden.

Daß diese Begründung angesichts der Massenmorde in Auschwitz, wo Menschen in Rauch aufgingen, ein unglaublicher Zynismus ist, fiel dem FDP-Stadtrat Konrad Widmann nicht auf.

Aber den Bürgern. Unmittelbar nachdem die Entscheidung des Gemeinderats für den unverbindlichen Text der CDU bekannt wurde, gründete sich eine Initiative für einen „Bürgerantrag“ Gedenktafel mit Namen. Mit dabei: 50 Ladenbesitzer, alle Schulleiter der örtlichen Gymnasien und die gesamte lokale Intelligenz. „Das Entsetzen ist namenlos, die Opfer sind es nicht“, heißt es in ihrem Aufruf. 1.800 Unterschriften mußte die Initiative sammeln, damit der Gemeinderat die Angelegenheit noch einmal auf die Tagesordnung setzt. In dem Sack Post, der heute im Rathaus abgeladen wird, werden doppelt so viele sein. Der Streit in Schwäbisch Gmünd ist ein Beispiel dafür, daß die Geschichte doch noch ganz nah ist. Anita Kugler

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