: Freies Parken für freie Bürger
■ Als letzte deutsche Großstadt führt Berlin Gebühren für Parkplätze in der Innenstadt ein – und die Autofahrer jammern
Was in allen anderen deutschen Großstädten schon längst eine Selbstverständlichkeit ist, wird nun auch in Berlin eingeführt. Ab Montag kostet das Parken in der Innenstadt zwischen zwei und vier Mark pro Stunde, Anwohner zahlen zwanzig Mark im Jahr. Stau in der Stadt soll so verhindert, Pendler sollen zum Umsteigen in die öffentlichen Verkehrsmittel bewogen werden. Betroffen sind Gebiete rund um den Alexanderplatz, die westliche City in Charlottenburg und die Spandauer Innenstadt.
Kurz vor Einführung des neuen „Parkraumbewirtschaftungskonzeptes“ hat die autofahrende Hälfte Berlins noch einmal aufgejault. Die Boulevardpresse verteidigte in bewährter Weise die Rechte der Blechkarossenbesitzer. Die Bild-Zeitung des Äthers, Hundert,6, wartete pünktlich mit einer Umfrage auf, derzufolge 93 Prozent aller Berliner das Parkkonzept ablehnen. (Warum nicht gleich 100 Prozent?!)
In der Senatskoalition kam es am Donnerstag zu einem ebenso heftigen wie sinnlosen Schlagabtausch. Dem federführenden Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) wurde von der SPD schlampige Organisation vorgeworfen. Die 80.000 Anwohner der Innenstadtgebiete sind noch nicht ausreichend mit den neuen Park- Vignetten versorgt, erst 26.000 Anträge sind eingegangen. Mit einer Vignette dürfen Anwohner auch weiterhin in ihrem Wohngebiet parken.
Ingrid Stahmer, SPD-Spitzenkandidatin, plädierte für die Verschiebung des neuen Konzeptes, bis die organisatorischen Mängel behoben seien. „Eine gute Sache, die nicht durch eine schwache Umsetzung in Frage gestellt werden darf“, heuchelte sie.
Das gab Dresche von der CDU. Haase warf Stahmer vor, sich „auf jede populistische Sau zu setzen, die gerade durchs Dorf getrieben“ werde. Volker Liepelt, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Abgeordnetenhaus, setzte noch einen drauf und bezeichnete Stahmer als „Umfallerin“, da sie sich in ihrer Partei für die Einführung der Parkraumbewirtschaftung stark gemacht hatte.
Die Idee für eine Parkraumbewirtschaftung stammt noch aus Zeiten der rot-grünen Koalition. Hauptverkehrsstraßen in der westlichen City sollten laut der alten Idee für Kurzzeitparker zur Verfügung stehen, die Nebenstraßen für das Parken der Anwohner reserviert bleiben. Ökologische Ziele standen dabei im Vordergrund.
Mit Umweltentlastung hat das neue zweijährige Pilotprojekt kaum noch etwas zu tun. Berufspendler steigen jetzt zwar teilweise auf öffentliche Verkehrsmittel um, aber es wird zukünftig häufiger für kurze Zeitspannen geparkt. Michael Lehmbrock vom Deutschen Institut für Urbanistik: „Das Kurzparken wird den Verkehr hier uferlos vermehren.“ Bis zu fünfmal mehr Verkehr könne so entstehen.
Bündnis 90/Die Grünen bemängeln zwar einiges an dem Konzept, aussetzen wollen sie es deshalb aber nicht. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Michael Cramer tritt für die Vergrößerung der Parkraumgebiete ein. Nach wie vor plädiert er aber für das „harte Anwohnerparken“. Danach könnten in den ausgewiesenen Flächen ausschließlich Anwohner parken. Die Mehreinnahmen von 30 bis 40 Millionen Mark, die jetzt durch das Gebührenparken erwartet werden, sollen nach seinen Vorstellungen für sinnvolle Projekte wie den Ausbau des Straßenbahnnetzes verwendet werden. Der innerstädtische Privatverkehr hat im Verhältnis zum öffentlichen Nahverkehr einen Anteil von 60 Prozent. Das Ziel des Senats, diesen Anteil auf 20 Prozent zurückzudrängen, könne so nicht erreicht werden, so Cramer. Christoph Dowe
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