: Der Mensch zum Tier
■ „Das Tier Mensch“ in sechs Teilen (ab Samstag, 21.55 Uhr, WDR)
Publikationen von Wissenschaftlern teilen normalerweise mit Kurs- und Gesangbüchern ein und dasselbe Schicksal: Sie werden mit viel Mühe erstellt, aber es liest sie kein Schwein. Doch hin und wieder schlägt so ein Gelehrtenwerk aus der Art und mausert sich zum Bestseller.
So geschehen mit „Der nackte Affe“, verfaßt von dem britischen Verhaltensforscher Desmond Morris, seit 1968 auch hierzulande millionenfach verkauft und noch immer in den Buchhandlungen zu haben.
Doch irgendwie lag da immer der Verdacht nahe, daß der „Affe“ nur zum Bestseller mutieren konnte, weil ein Großteil der Käuferschaft hinter dem Titel (in Verbindung mit jenem Umschlagfoto, auf dem unschuldig ein paar Nackedeis posierten) lustfördernden Schweinkram vermutete und das Werk nach ein paar Seiten Lektüre dementsprechend enttäuscht aus der Hand legte. Schließlich gingen auch Morris' Thesen kaum über das hinaus, was schon sein Landsmann Charles Darwin als Gerücht unters Volk gebracht hatte: daß der homo sapiens weder durch Adam und Eva noch den Klapperstorch in die Welt kam, sondern vom Affen abstammt.
Wenn doch einige jener enttäuschten Erotomanen seinerzeit weitergelesen haben sollten, dürfte es in erster Linie daran gelegen haben, daß sich Morris, Jahrgang 1928 und im Hauptberuf Dozent in Oxford, als überaus amüsanter Erzähler erwies, der ohne Scheu vor jenem Populismus-Verdikt dem Affen reichlich Zucker gab.
Und allein dank dieser „Qualitäten“ ist auch seine für die BBC in achtjähriger Arbeit entstandene, sechsteilige TV-Dokumentation eine durchweg kurzweilige Angelegenheit geworden. In rund 60 Ländern der Erde war Morris mit der Kamera als Jäger und Sammler unterwegs, um vermeintlich typisch menschliche Verhaltensweisen einzufangen und sie anschließend ihrer Affinität zum Tierischen zu überführen.
So widmet er sich im ersten Teil der Gebärdensprache, zeigt Japaner, die sich vor lauter Höflichkeit gegenüber ihrem Gesprächspartner sich selbst in der Telefonzelle noch verbeugen, dokumentiert die versteinerten Mienen amerikanischer Poker-Profis, erklärt, warum Süditaliener nicken, wenn sie „nein“ meinen, oder gibt Auskunft, was es mit dem Effe-Finger auf sich hat.
Und damit auch seine alte Fans auf ihre Kosten kommen, läßt Morris gleich zu Beginn zwei Nackedeis (in Zeitlupe!) durch eine Einkaufspassage bummeln und versichert dabei, daß der Mensch- Mann unter allen Affen den größten hat. Sowas baut doch auf. Reinhard Lüke
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