piwik no script img

Hanoi!

■ betr.: „Ma derf halt nix verkomma lasse“, taz vom 25. 2. 95

Hallo, Ihr tazfußindianerInnen, wir hier im wilden Süden sind es zwar gewohnt, daß uns die Fischköpfe qua Weißwurschtäquator, der nicht unsrere Erfindung ist, mit den Bayern in einen Topf werfen. Wir verkraften auch den Neid, der sich aus Artikeln wie diesen unschwer herauslesen läßt, aber nicht ohne Folgen bleiben kann die hauptstädtische Leichtigkeit, mit der Ihr Euer nördliches Dasein durch die folgende Milchmädchenrechnung erträglicher zu machen glaubt: Wir hier haben zwar die verschissensten Bürgersteige (die euroneuhochdeutsch im übrigen Trottoirs, gesprochen trottwar heißen), aber die da unten haben den schrecklichsten Dialekt, also steht's 1:1.

Also zügelt Eure Häme, denn auch Ihr könnt den Erfolg der baden-württembergischen Grünen nicht mit analer Dialektik erklären, wie Scheub und André es hinternrücks versuchten. Er ist, wie so vieles, ganz banaler Natur: Nur da, wo es relativ sauber ist, kann man den Dreck noch als solchen erkennen; Umweltverschmutzung ist zuallererst ein Wahrnehmungsproblem.

Unsere Rache jedoch, um auf die hierarchische Einordnung regionaler Heterogenitäten im obengenannten Artikel zurückzukommen, besteht keineswegs nur in der ethnischen Unterwanderung des preußischen little big apple, sondern wir werfen all unser politisch- technokratisches Gewicht in die Waagschale. Unser Matthias läßt den Transrapid nämlich nicht nur als Anschauungsstrecke für angebliche ausländische Interessenten von Hamburg nach Berlin bauen, nein wir Schwaben und Schwäbinnen schlagen immer gerne zwei Fliegen mit einer Klappe, und in diesem Fall besteht der zweite Transrapidnutzen darin, daß Ihr Piefkes mitsamt Euren Fiffies möglichst schnell nach Hamburg fahren könnt, um, nordlichtig vereint, neben der Gattung homo stichus michaelis am Ufer stehen zu können, wenn Euch die nächste Springflut in Eure große Gosch neihopft. Ha! Sodele! Oswald Neubauer, Ludwigsburg

P. S. Hanoi ist nicht nur die Hauptstadt von Vietnam, sondern auch der Ausdruck tiefsten Widerspruchs. In diesem Sinne: Hanoi!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen