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Die Reichen und die Armen ganz oben

Heute beginnt in Kopenhagen der Sozialgipfel der UNO: Die Abschlußerklärung ist schon ausformuliert / Die Nichtregierungsorganisationen beraten bei Christiania, was sie kritisieren sollen  ■ Von Nicola Liebert

Berlin (taz) – Etwa 20.000 Menschen sind am Wochenende nach Kopenhagen gereist. Von heute heute an wollen sie über das Gute reden. Nur meinen sie nicht immer dasselbe. Rund 130 Staats- und Regierungschefs sind unter den Gästen des Staates Dänemark, von Helmut Kohl bis Fidel Castro. Zum fünfzigsten Geburtstag hat sich die UNO eine Mammutkonferenz geschenkt, in der sie praktisch alle Themen Revue passieren läßt, mit denen sie sich jemals beschäftigt hat: Armutsbekämpfung und Beschäftigung, Sicherheit und Menschenrechte, Bildung und Gesundheit, Umwelt und Flüchtlinge, Frauen und Kinder.

Am 12. März schließlich will die Staatengemeinschaft feierlich eine Deklaration mit neun Selbstverpflichtungen und ein Aktionsprogramm verabschieden. Der genaue Wortlaut ist bereits fast bis aufs letzte Detail in Vorbereitungskonferenzen ausgehandelt worden. Die Teilnehmer des Sozialgipfels von Kopenhagen sollen sich demnach verpflichten, die Armut auszurotten, Vollbeschäftigung zu erreichen und ein Umfeld zu schaffen, das den Menschen ermöglicht, sich selbst zu helfen („enabling environment“). Des weiteren sollen soziale Integration und die Respektierung menschlicher Würde gefördert werden, die Entwicklung der ärmsten Länder sei zu beschleunigen, wirtschaftliche Anpassungsprogramme sollen sozialverträglicher gestaltet werden, die Mittel für die soziale Entwicklung sollen effizienter eingesetzt werden, und schließlich soll die internationale Kooperation für die soziale Entwicklung gestärkt werden. All das steht unter dem festen Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft als Heilmittel für Unterentwicklung und soziale Malaisen.

Parallel zum offiziellen Gipfel treffen sich die regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) zu einem Forum, das in einem alten Marinestützpunkt direkt neben der Freistadt Christiania stattfindet. Auf 1.500 geplanten Veranstaltungen werden über 4.000 sozial- und entwicklungspolitische Gruppen, einschließlich Kirchen und Gewerkschaften, alles von lokalen Projekten bis zu globalen Forderungen diskutieren. Mit umgerechnet über 7,5 Millionen Mark fördert die dänische Regierung das Forum.

Den Organisatoren des offiziellen Gipfels kommt dieses Forum, das sich nicht als Gegen-, sondern als Parallelgipfel begreift, durchaus entgegen. Denn zunehmend wird in der offiziellen entwicklungspolitischen Diskussion auf die „Zivilgesellschaft“ gesetzt. Ob dies stärkere Demokratisierung und Partizipation bedeutet oder ob vielmehr der Staat in sozialen Dingen einfach die Verantwortung abgibt, ist für viele NGOs noch nicht ausgemacht.

Die Bundesregierung jedenfalls hat nicht wenig zu bieten. Was Kanzler Kohl schon 1992 auf dem Gipfel in Rio fest versprochen hat, die Erhöhung der Entwicklungshilfeleistungen auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts nämlich, rückt in immer weitere Ferne. Auch konnte sich das reiche Deutschland nicht zu einem umfassenden Schuldenerlaß für die ärmsten Entwicklungländer durchringen. Damit Kohl nicht mit ganz leeren Händen kommt, plant die Bonner Regierung nun offenbar, einen Fonds gegen Kinderarbeit mit 50 Millionen Mark einzurichten. Das ist ein Zehntel der Summe, mit der allein Kamerun bei der Bundesrepublik in der Kreide steht.

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