: Bester Wohnraum bleibt ungenutzt
■ Betroffenenvertretung am Helmholtzplatz führte durch leere Wohnungen, die mit wenig Aufwand wieder vermietbar wären / Streit um Leerstandsgenehmigungen
Gestern war ihnen der Kragen geplatzt. Nachdem sich in zahlreichen Gesprächen mit der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP) keine Lösung abgezeichnet hatte, schritt die Betroffenenvertretung am Helmholtzplatz zur Tat. Drei leerstehende Wohnungen – von insgesamt zehntausend in Berlin – in der Dunckerstraße wurden geöffnet und unter der staunenden Anteilnahme der Medien die offenbar haltlosen Begründungen für den Leerstand vorgeführt.
Beispiel eins: Dunckerstraße 74, Hinterhaus, erster Stock, Mitte links. Abgeschliffene Dielen, tapezierte Wände, hervorragender Eindruck. Einziger Makel: In der Küche ist eine Diele herausgerissen. Die Balken allerdings sind nicht in Mitleidenschaft gezogen, die ganze Decke lastet zudem auf Stahlträgern. Ganz anders sieht das die Optima, die im Auftrag der WIP Privathäuser vermietet. In der Wohnung sei „die gesamte Deckenbalkenlage zu sanieren“. Der Leerstand wurde bis einschließlich 31.8. beantragt und vom Wohnungsamt genehmigt.
Beispiel zwei: Ebenfalls Dunckerstraße 74, Hinterhaus, Parterre rechts. Wohnung in Ordnung, neue Fenster, Badewanne, drei Zimmer. Hier hat die Wohnungsaufsicht die Wiedervermietung gestoppt. Ihre Begründung: Rigipswände, die nicht ordnungsgemäß eingezogen worden seien. Tatsächlich handelt es sich hierbei um zwei selbstgebaute Wandschränke. Beide Wände wären binnen kürzester Zeit zu entfernen. Insgesamt stehen in der Dunckerstraße 74 dreizehn Wohnungen leer. Nach Angaben der Mieter habe die Optima angekündigt, im Auftrag des Privateigentümers keine der frei werdenden Wohnungen weiter zu vermieten.
Beispiel drei: Dunckerstraße 67, Hinterhaus, dritter Stock. Das Haus befindet sich in Notverwaltung, zwei Wohnungen stehen leer. In einer davon müßte eine Zwischenwand wieder eingezogen und ein Deckenbalken erneuert werden. Geschätzte Kosten: drei- bis fünftausend Mark. Für die WIP Grund genug, die Wohnung weiter leerstehen zu lassen.
Insgesamt stehen nach Angaben der Betroffenenvertretung allein rund um den Helmholtzplatz bis zu zweihundert Wohnungen leer. Fast hundert davon könnten mit geringem Aufwand wieder instand gesetzt werden.
Die Betroffenenvertretung fordert nun von der Senatsbauverwaltung, öffentliche Gelder für die Grundinstandsetzung lockerzumachen. Doch nicht nur die Nichtvermietung der WIP beschäftigt die Wohnungssuchenden, sondern auch die zahlreichen Leerstandsgenehmigungen des Wohnungsamts.
Während die Betroffenenvertretung dem Wohnungsamt vorwirft, oftmals Genehmigungen im Sinne der Eigentümer zu erteilen, betont Baustadtrat Matthias Klipp, mit nur fünf Mitarbeitern und 2.000 Anträgen auf Leerstandsgenehmigung jährlich könnten nur in offensichtlich unbegründeten Fällen eine genauere Prüfung erfolgen. Uwe Rada
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