: Trainingskurs in Sachen Feminismus
■ Dank der Weltfrauenkonferenz erfreut sich das Frauenthema in China einer noch nie dagewesenen Popularität. Feministische Crashkurse dienen zur Vorbereitung
taz: Wie wird die Weltfrauenkonferenz in China vorbereitet?
Li Xiaojiang: Die chinesische Regierung hat eine nationale Vorbereitungskommission für die Durchführung der 4. Weltfrauenkonferenz eingerichtet. Jedes Ministerium, das sind mehr als zwanzig, hat Vertreter und Vertreterinnen in diese Kommission entsandt. Das sind alles hochrangige Persönlichkeiten, im allgemeinen auf der Ebene von Vizeministern. Die Vorsitzende dieser Vorbereitungskonferenz ist Peng Peiyun.
Die Staatskommissarin für Familienplanung?
Ja. Aber zuvor hatten sie einen Mann, Li Tieying, ausgewählt. Erst im Sommer oder Herbst 1992 wechselten sie ihn aus...
Warum?
Der chinesischen Regierung ist dabei am Anfang überhaupt nichts aufgefallen. Sie versteht nicht viel vom Feminismus und der internationalen Frauenbewegung. Sie betrachtet die Konferenz als internationales politisches Ereignis. In ihren Augen ist die Ausrichtung der Frauenkonferenz eine wichtige Sache für China, eine nationale Angelegenheit. Li Tieying hat eine sehr hohe Position (Mitglied des Staatsrates und Vorsitzender der Kommission für die Reform der Wirtschaftsstrukturen, J.L.). Er steht über dem Ministerrang. Daran läßt sich also ablesen, welche Bedeutung die chinesische Regierung der Konferenz beimißt. Deshalb stellten sie eine politisch bedeutende Person ab – und kamen gar nicht auf die Idee, das Geschlecht dieser Person zu berücksichtigen. Erst im Kontakt mit der Außenwelt, bei internationalen Treffen oder auch in UNO-Gremien, stellten sie fest, daß es jedesmal auffällige Reaktionen gab, wenn es hieß, der chinesische Vertreter der Frauen ist ein Mann. Dann wurde auch mal gezischt oder gebuht... Na, dann haben sie ihn ausgewechselt.
Was tut die Vorbereitungskommission?
Jedes Ministerium hat also einen Vertreter dorthin geschickt. Es werden sechs oder sieben Unterabteilungen gebildet, für Propaganda oder Öffentlichkeitsarbeit, Finanzierung der Konferenz und so weiter. Und dann gibt es eine, die für Nichtregierungsorganisationen zuständig ist. Die Leiterin dieser Abteilung ist die Chefin des offiziellen nationalen chinesischen Frauenverbandes, Huang Qizao.
Gibt es außer dieser Vorbereitung durch die zentralen Pekinger Institutionen noch weitere Aktivitäten? Gibt es andere Frauenorganisationen, Gruppen, die nicht staatlich organisiert sind?
Die meisten Aktivitäten und Gruppen kommen aus dem Frauenverband.
Wer wird dann als Vertreterinnen der chinesischen Frauen bei der Konferenz auftreten? Wer wird für die chinesischen Frauen sprechen?
Die Weltfrauenkonferenz besteht ja aus zwei Teilen. Auf der einen Seite sind die staatlichen Frauendelegationen, also die Regierungen. Und auf der anderen gibt es die NGOs, für die der chinesische Frauenverband zuständig ist. Und als chinesische Vertreterinnen von NGOs werden Leute aus allen Provinzen abgeordnet.
Das heißt, die chinesischen NGO-Vertreterinnen sind alle Mitglieder der offiziellen Provinz- oder Kreisfrauenverbände?
Nein. Aber der Frauenverband ist zuständig dafür, die Teilnehmerinnen auszuwählen.
Nach welchen Kriterien?
Um ein Beispiel zu nennen: Es wurde festgelegt, daß die Hälfte der Teilnehmerinnen eine Fremdsprache gelernt hat. Das ist bemerkenswert, schließlich gibt es beim Frauenverband nur sehr, sehr wenige Frauen, die eine Fremdsprache beherrschen. Sehen Sie, so haben sich die Anforderungen an die Delegierten geändert: Früher hätte man Modellarbeiterinnen oder besonders bewährte Funktionärinnen gewählt. Wer kann aber in China eine Fremdsprache? Nur die Intellektuellen! Bäuerinnen können das nicht, Arbeiterinnen auch nicht. Im Frauenverband gibt es gar nicht so viele, die diesem Kriterium entsprechen. Bei der Suche nach geeigneten Frauen haben sich die Provinzfrauenverbände also an verschiedene Institutionen – Universitäten, Fabriken etc. – gewandt und sie aufgefordert, Delegierte zu benennen.
Und was sollen die so ausgewählten NGO-Delegierten tun?
Erst mal erhalten sie einen Trainingskurs zur Vorbereitung auf die Konferenz. Eine allgemeine Einführung: Was ist die Frauenkonferenz, was ist über die Lage der chinesischen Frauen zu wissen, eine Schulung also. Schließlich sind darunter viele Frauen, die nicht aus der Frauenarbeit kommen oder die sich nie für Frauenfragen interessiert haben. Sie werden einfach von ihren Arbeitgebern oder Instituten benannt. Das wird wohl bei den meisten chinesischen Teilnehmerinnen der NGO-Konferenz zutreffen.
Nun gibt es doch auch außerhalb der offiziellen Ebene schon ein Netzwerk von Frauen, so etwas wie eine eigenständige Frauenbewegung. Was erwarten die sich von der Konferenz?
Bevor diese Sache mit der Weltfrauenkonferenz kam, da hat sich niemand so recht um die Frauen gekümmert. Wie es uns ging und was wir taten, interessierte nicht. Aber jetzt passen die Funktionäre und Politiker auf. Sie fürchten Ärger von oben, wenn sie jetzt etwas tun, was schlecht für die Frauen ist. Sie wollen ein gutes Bild gegenüber der internationalen Öffentlichkeit zeigen.
Was haben sie denn daraufhin mehr für die Frauen getan?
1992 hat es ein neues Frauenschutzgesetz gegeben. Aber es hat auch Auswirkungen auf die verschiedenen Ministerien. Früher hat es doch die Ministerien nicht gekümmert, weder das Arbeitsministerium noch irgendein anderes, was mit den Frauen ist. Plötzlich wurde zum Beispiel die Erziehungskommission gezwungen, sich zu überlegen, was eigentlich mit den Frauen im Bildungssystem ist. Also mußten sie erst einmal eine Konferenz abhalten, um sich schlau zu machen. Die Regierung hat ja nichts mit den NGOs zu tun, und sie muß auch nicht auf den Frauenverband hören. Vielleicht ist das auch ein Vorteil: jetzt müssen sich viele Leute über die Situation von Frauen in China Gedanken machen, die sich andernfalls niemals dafür interessiert hätten.
Auf Anweisung der Regierung...
Nicht von der Basis aus.
Sie haben als erste Frau ein unabhängiges – also nicht vom Frauenverband oder vom Staat initiiertes – Frauenforschungszentrum in China gegründet...
1985 war ich die erste. Bis heute sind aber eine ganze Reihe dazugekommen. An allen Universitäten gibt es sie heute.
Unabhängige Frauenforschung an allen chinesischen Hochschulen?
So einfach ist das nicht. Es hatte eine gemeinsame Konferenz von Erziehungsministerium und Frauenverband gegeben, und dann wurden alle Universitäten aufgefordert, Frauenstudien und Frauenforschung einzurichten.
Es gab den offiziellen Befehl: Richtet Frauenforschungszentren ein!
Es war kein Befehl – so läuft das nicht in China. Es wurde propagiert. Als im Februar vergangenen Jahres eine Konferenz aller Frauenstudieneinrichtungen und Zentren auf dem Gelände der Parteizentrale Zhongnanhai in Peking abgehalten wurde und die Einladungen an alle Hochschulen ergangen waren, da wußten die Verantwortlichen in den Universitäten, daß sie besser ganz schnell dafür sorgten, daß so eine Abteilung bei ihnen eingerichtet wird. Und da haben sie sich eben jemanden ausgeguckt und gesagt, du machst das jetzt. So kommt es, daß es heute viele Frauenforschungszentren in China gibt.
Was tun die?
Das weiß ich auch nicht.
Wie viele Institute machen Ihrer Ansicht nach tatsächlich qualifizierte Arbeit?
Vielleicht ein gutes Dutzend, die von Professorinnen oder promovierten Wissenschaftlerinnen geleitet werden. Interview: Jutta Lietsch
Li Xiaojiang ist Literaturwissenschaftlerin. Sie hat eine bislang 17 Bände umfassende Sammlung von Frauenstudien herausgegeben und eigene Bücher zum Thema veröffentlicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen