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Wie der Teich in Halle 5 entsteht ...

■ ... und andere Beobachtungen beim Aufbau der „Blumenschau - Garten und Familie“ in der Weser-Ems-Halle Oldenburg

„Das wird alles schon noch rechtzeitig fertig“, sagt der junge Mann in der grünen Gärtnerkleidung. „Vieles zwar erst fünf Minuten vor der Eröffnung, aber auch nie später!“ Von den ArbeiterInnen weiß keiner so genau, was hier letzte Woche stattgefunden hat. Ein Rockkonzert? Eine Auto-Ausstellung? „Jetzt wird hier eine Blumenschau aufgebaut“, meint stolz eine junge Floristin.

Am Mittwech erinnerte die Oldenburger Weser-Ems-Halle eher an eine Großbaustelle an einem Verkehrsknotenpunkt. Für den gestrigen Freitag war die feierliche Eröffnung der „Blumenschau - Garten und Familie“ angesetzt. Zwei Tage vorher regierte noch das Chaos, bis zum Termin der Eröffnung werden die Pflanzen hereingetragen. Manchem empfindlichen Zierpflänzchen und kreativ geformten Bonsai-Winzling soll wohl auch der Lärm der bäumetragenden Bagger und schreienden Vorarbeiter keinen Schock versetzen. Der eigentliche Schock steht den Pflanzen aber noch bevor: „Das besorgen schon die Besucher“, sorgt sich eine pflanzende Gärtnerin.

Der erste Eindruck zwei Tage davor ist ernüchternd. Von der angekündigten Blumen- und Blütenpracht ist noch wenig zu sehen, von „klassischen Gartenstilen“, dem Motto der diesjährigen Messe, ganz zu schweigen.

In einer kleinen Nebenhalle, in der noch nicht einmal Chaos herrscht, ist ein Plan sorgsam auf dem Boden in einer Wanne ausgebreitet: Hier soll einmal ein Teich mit Brücke, ein kleiner Wasserfall mit passender Begrünung entstehen. Eine Plane als Untergrund, viel, viel Erde, Stein-Imitationen und allerlei gartentechnisches Gerät liegen herum. Ein hektischer „ausführender Produzent“ raucht wahrscheinlich seine hundertste Zigarette an diesem Tag und kommandiert seine etwas gelasseneren Mitarbeiter.

Nebenan wird gerade eine sechs Meter hohe Tanne (oder Fichte, selbst die Aufbau-Helfer wissen das nicht immer so genau) von einem Kran in die Halle geschleift. Natürlich schön zusammengebunden, damit sie keinen Transportschaden erleidet. Schließlich soll sie ja einen imposanten Eindruck machen. „Das meiste der verpflanzten Bäume, Sträucher und Blumen wird wiederverwendet, recycelt sozusagen“, erläutert Marcus Strassberger von der Weser-Ems Halle. 90 Prozent gehen zurück in die Baumschulen, in die Wohnzimmer der Züchter oder werden im Anschluß an die Messer verramscht. Die große Tanne aber wird wohl in drei Wochen als Sägemehl in einem kleinen Zirkus enden.

Der Teich nimmt schon nach zwei Stunden Arbeit Formen an. Der Planer greift nun auch selbst zur Schaufel und unterstützt seine Kollegen beim Sandaufschütten. Gemeiner gelber Bausand als Untergrund, schöne teure Blumenerde wird nur als oberste Schicht dünn aufgetragen.

Ein Gartengestalter hat damit begonnen, wie seine Kollegen beim Straßenbau, einen peinlich genau ausgerichteten Weg anzulegen. Schließlich sollen „achsiale und symmetrische Ordnungsprinzipien“ der Blumenschau Klarheit und Ruhe geben, bemerkt das Planungskonzept der Messe.

Von natürlicher Pflanzenwelt ist in den Hallen wenig zu sehen, sieht man einmal vom Unkraut ab, das zwischen den Betonplatten in den Zelten hervorsprießt. Wohin man den Blick auch wendet, kein noch so großer Baum, keine Millionen von Stiefmütterchen können all die Heizungsrohre, Versorgungslei tungen und Klimaschächte verdecken. Das wird sich auch bis zur Eröffnung nicht ändern lassen.

In der Haupthalle basteln ein paar junge Techniker an den „tanzenden“ Wasserfontänen. Die Anlage sieht aus wie der Dieselmotor eines U-Bootes und verspricht nach dem Ausdruck der Gesichter der Techniker das Ereignis der Blumenschau zu werden. Die Rabatten um die Wasseranlage herum sind ebenso liebevoll wie symmetrisch angelegt. An Blumenerde und kleinen Pflänzchen, die samt Topf eingesetzt werden, wurde nicht gespart.

Die Arbeit der Teichanleger ist mittlerweile schon weit fortgeschritten. Der Chef dieser Anlage macht erst einmal Pause und die Arbeiter führen ihre Arbeit sichtlich erleichtert fort. Die Ähnlichkeit zwischen Plan und Ausführung nimmt zu. „Die Feinarbeit kommt erst zum Schluß“, sagt ein Arbeiter „Wir sind nur fürs Grobe.“

Wenig Grobes findet man keine drei Hallen weiter bei den Bonsai-Ausstellern. Was selbst in größten Halle nicht aufgebaut werden kann, ein komplettes Wäldchen, findet hier auf nicht einmal einem Quadratmeter Platz. Schwierigkeiten beim Aufbau gibt hier kaum. Die meisten Ausstellungsstücke werden einfach aus dem heimischen Garten oder Wohnzimmer hierherverlegt. Die Arbeit an diesen kleinen Welten findet über Jahre vorher statt. Wenn man den Ausführungen von Hubert Wübbeler vom Bonsai-Arbeitskreis Oldenburg lauscht, kommt es einem so vor, als würde dabei Bodybuilding an Pflanzen betrieben. Jeder Baum, jedes Ästchen, ja sogar einzelne Blätter werden hier so zu einem Gesamtkunstwerk geformt. Kleine Drähte und Schnüre verhindern jeden unerwünschten Wildwuchs.

Der Teich war Mittwoch Abend zwar noch nicht fertig, „aber es bleiben ja noch anderthalb Tage“, meinte einer der Arbeiter. Ihr Chef machte dagegen den Eindruck, als sei die Arbeit mindestens eine Woche im Verzug und seine Lunge kurz vorm kollabieren. „Wenn er weg ist“, bemerkt ein Junggärtner grinsend, „dann gehts erst richtig los“.

Als gestern die Blumenschau im Beisein der „Deutschen Blumenfee 1995“ eröffnet wurde, saßen die vielen Arbeiter und Helfer wahrscheinlich zu Hause oder in der wirklichen Natur. „Ich kann schon keine Blumen mehr sehen“, grummelte eine Auszubildende bei der dreißigsten achsial und symmetrisch angeordneten Priemelreihe, „und bin froh, wenn der Spuk vorbei ist.“

Wenn dieser Spuk vorbei ist, dauert es gerade vier Tage, und die Halle wird zum Kampfplatz der Deutschen Meisterschaften im Bogenschießen. „Der Abbau wird ruck zuck vonstatten gehen“, bestätigen alle. „Wir machen das schließlich nicht zum ersten Mal.“

Gunnar Langmack

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