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Macht und Messe bei Panagathos

In Griechenland führt die national-religiöse Welle zu einer Annäherung von Staat und Orthodoxie. Dem kann sich kaum eine Partei entziehen, auch nicht die regierenden Sozialisten  ■ Aus Athen Takis Galis

Erst seit drei Jahren hat Dimitra Papandreou ein Herz für „Panagia“ entdeckt, die heilige Mutter Gottes. Dafür kündigt sie ihre alljährlichen Besuche der Marienkirche mediengerecht an. Der heilige Tempel auf der Zykladen-Insel Tinos ist landesweit die beste Pilgeradresse. Am Himmelfahrtstag, wenn Dimitra dort mit ihrem Mann, dem Ministerpräsidenten Andreas Papandreou, aufkreuzt, läßt sie sich von Hunderten Journalisten begleiten. Die bunte Menge, die mehrere Stunden in der Hitze des Hochsommers wartet, lechzt nur so nach Wundertaten.

Früher soll es davon viele gegeben haben. Blinde, erzählt man, hätten nach dem Anblick der Ikonen plötzlich sehen, Invaliden gehen können. Kein Wunder also, daß am Himmelsfahrtstag die Kirche von einer dichten Menschenmenge belagert wird. Wer nicht schon in den frühen Morgenstunden den steilen Weg vom Inselhafen zum Kirchenportal geht, hat später keine Chance, in das Innere des Wunderortes vorzudringen.

Nicht so Frau Dimitra Papandreou.

Als Ehegattin des Premiers hat sie immer den Vortritt in der Kirche und kann dort in aller Ruhe der „Panagathos“, der Herzensguten, ihre Bitten vortragen. Dabei geht es nicht so sehr um banale Herzenswünsche, sondern um den Krieg in Jugoslawien und darum, Schutz für die Nation zu erbitten.

Ähnlich war schon 1991 der konservative Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis verfahren. Nach der Audienz bei Panagathos stellte er seine Balkanpolitik radikal um: Serbien wurde, als griechisch-orthodox, zum strategischen Hauptverbündeten erklärt, die katholischen Kroaten wurden mißtrauisch beäugt, und die mehrheitlich muslimischen Bosnier feindselig behandelt.

Kurz vor einem Parteitag der regierenden Sozialisten erschien im Frühling 1994 in der Zeitung Ta Nea ein Artikel über die überragende Bedeutung der Orthodoxie für den Erhalt des Griechentums. Unterschrieben war der Artikel von Dimitra Papandreou, Stil und Inhalt aber tragen die Handschrift ihres Gatten. Es scheint, daß Papandreou, indem er den Artikel selbst verfaßte, einer stark proreligiösen Strömung in seiner Partei nachgegeben hat, das Ganze aber gleichzeitig herunterspielen wollte und deshalb nicht selbst unterschrieb. Die Vermutung liegt nahe, daß Papandreou nicht an einen dauerhaften Aufschwung der Orthodoxie glaubt.

In normalen Zeiten nämlich spielt die Religion in Griechenland keine bedeutende Rolle, die Rolle der Würdenträger ist vor allem repräsentativ. Mit ihren archaischen Sutanen und ihren ungestutzten Bärten gelingt es ihnen zwar, bei jeder offiziellen Zeremonie aufzufallen, sei es im Parlament oder auf dem Schulhof, doch ihr politischer Einfluß ist gering.

Dennoch ist die Omnipräsenz nicht alles. Der Artikel 3 der Verfassung bestimmt, daß die „vorherrschende Religion in Griechenland die der Östlich-Orthodoxen Kirche Christi“ ist. Und das beschert der Orthodoxie eine Menge materieller Privilegien. So gibt es eine ganze Reihe offener und versteckter Zuweisungen aus der öffentlichen Hand, auch das gesamte Personal der griechisch-orthodoxen Kirche (und nur dieser) wird vom Staat besoldet.

Die Kehrseite ist, daß sich der Staat in die inneren Angelegenheiten der Kirche einmischen kann – durch ein weitverzweigtes und ursprünglich auch von der Heiligen Synode gebilligtes Gesetzeswerk. Das führt unvermeidbar zu Reibungen, jüngstes Beispiel: ein Beschluß des obersten Gerichtshofes, der die Absetzung von vier Bischöfen für nichtig erklärt. Die Synode hatte ihre Absetzung mit der Begründung verfügt, die Bischöfe hätten Anfang der siebziger Jahre mit der Militärjunta zusammengearbeitet.

Als die Betroffenen kraft der Gerichtsentscheidung 1992 in ihre Bischofssitze zurückkehren wollten, machte die Synode kehrt, zweifelte an der Kompetenz des Gerichtes und besetzte die vakant gebliebenen Sitze mit Klerikern ihres Vertrauens. Als die Anhänger der beiden Bischofsgruppen begannen, sich vor und innerhalb der Kirchen blutige Auseinandersetzungen zu liefern, eskalierte die Krise.

Alle Versuche der Regierung, die Situation zu entschärfen, blieben erfolglos. Der bis vor kurzem amtierende Staatspräsident Konstantinos Karamanlis weigerte sich, ein Dekret zu unterzeichnen, mit dem der Synode die alleinige Oberhoheit über die Kirchenangelegenheit zugesprochen worden wäre. Und auch wenn der neue Staatspräsident Kostis Stefanopoulus das Dekret unterzeichnet, wird das nur zeitweilig Abhilfe schaffen.

Der anachronistische Zug von Kirche und Staat zieht weiter, mit der Kirche als kleinem Weggefährten, der überdies durch die Diadochenkämpfe um die Nachfolge des schwerkranken Erzbischofs Serafim gelähmt ist. Auch die Welle des national-religiösen Fanatismus schlägt sich bislang nicht in einem Machtzuwachs der Kirche nieder. Die Berufspolitiker behalten das Machtmonopol – und zusätzlich gehen sie in die Messe.

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