: Die neue hessische „Staatsreform“
■ SPD und Bündnisgrüne wollen vor allem beim Beamtentum in Hessen abspecken
Frankfurt/Main (taz) – Aus der chronischen Finanznot wollen SPD und Bündnisgrüne in Hessen eine Tugend machen. „Staatsreform“ heißt das Zauberwort, das in der zweiten Runde der hessischen Koalitionsverhandlungen verabredet wurde. Und deshalb, so der Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im hessischen Landtag, Fritz Hertle, werde in allen Ministerien und Landesdiensstellen systematisch gespart werden müssen.
Der erklärte Reformwille beider Parteien bedroht vor allem das Beamtenwesen: Nur noch in eng definierten Hoheitsbereichen werde es zukünftig in Hessen überhaupt noch Beamte geben, prophezeite Hertle. Auch bei den angestellten Landesbediensteten müsse „kräftig abgespeckt“ werden. Laut Hertle ein „Projekt für die Jahrtausendwende“. Eine Koalitionsvereinbarung darüber sei am vergangenen Donnerstag „in die Nähe des Greifbaren“ gerückt.
In der Staatskanzlei wird die Staatsreform nüchterner beurteilt. Das Land, so der Leiter der Staatskanzlei, Hans Joachim Suchan, habe keine eigenen Kompetenzen bei der angestrebten Reduzierung des Beamtenstatus. Allerdings gehöre Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) zu der Länderdelegation, die mit dem Bund diese Fragen erörtere. Unterhalb dieser Verhandlungsebene seien Vereinbarungen denkbar, die Gehaltsstruktur und Arbeitszeiten von Beamten tangierten: etwa die Koppelung der Bezüge an die Leistung oder das generelle Angebot von Teilzeitarbeit. Wie Hertle verwies auch Suchan darauf, daß die Reform „nicht in einer Legisalturperiode umzusetzen“ sei.
Daß es extrem schwierig werden wird, unter diesen Bedingungen das rot-grüne Reformprojekt inhaltlich fortzuschreiben, wissen die koalitionswilligen Verhandlungspartner. Vor allem der zwölfköpfigen Verhandlungsdelegation der Bündnisgrünen sitzt die Basis mit ihrer hohen Erwartungshaltung im Nacken. Seit Tagen werde die Pressestelle der Landtagsfraktion mit Forderungskatalogen aus den Kreis- und Ortsverbänden geradezu „bombardiert“, stöhnt Pressereferent Jens Helldobler. Gefordert werden beispielsweise Nachtflugverbote für den Rhein- Main-Flughafen, aber auch Nachtfahrverbote für Lkws auf Bundesstraßen, andere wollen ein Gesetz gegen den „Elektrosmog“ und wieder andere schärferen Tierschutz „mit Biß“. Klaus-Peter Klingelschmitt
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