■ SPD, CDU/CSU und FDP suchen einen Energiekonsens: Die Karten sind schon verteilt
Die Ausgangspositionen der vier Gesprächspartner sind ziemlich unvereinbar. Aber nicht nur deswegen wird die lange angekündigte Debatte über die künftige deutsche Energiepolitik recht einsilbig verlaufen. Vielmehr ist der Konsens der Parteien inzwischen überflüssig geworden, das Problem, über das sie streiten, wird schon gelöst. Denn über die Energiepolitik entscheiden nicht mehr die Regierungen, wie noch in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Krieg. Heute sind die Unternehmen und in wachsendem Maße die Umweltschutzverbände dabei, die Fehler jener Gründerjahre zu korrigieren und die Folgen auszubügeln.
Beide wissen, daß die politisch definierten Säulen der deutschen Energiewirtschaft, Atom und einheimische Kohle, nicht mehr lange zur Verfügung stehen. Ganz offiziell wirkt der Veba-Konzern heute schon daran mit, alternative Konzepte für die Zeit danach zu entwickeln. Die anderen Stromproduzenten werden folgen. Sogar die Bayernwerke haben eingesehen, daß in Deutschland nie wieder ein Atomkraftwerk gebaut werden kann. Die Kohlekumpel sind ihnen sowieso egal. Der Industrie wie den Umweltverbänden, die im Stillen schon Partner geworden sind, geht es heute nur noch um die Fristen und Modalitäten für den Ausstieg aus der deutschen Kohle und der Kernenergie. Auch die Einigung über die in diesem Rahmen heute noch sehr kontroversen Fragen wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie ist unvermeidlich geworden. Gerhard Schröder, der Verhandlungsführer der SPD, hat das begriffen und spielt sehr gelassen seine Karten. Er hat nur Trümpfe in der Hand gegen die zerstrittene Bonner Regierungskoalition, die sich gerade noch mit Mühe in der Nebensache einigen konnte, keine Steuer als Ersatz für den verbotenen Kohlepfennig zu erheben.
Dafür ist eine Energiesteuer vielleicht tatsächlich nicht notwendig, sehr wohl aber für das Projekt, das Industrie und Umweltverbände gemeinsam verfolgen: den sanften Umstieg auf Energiequellen, die weder das Klima aufheizen noch die Gesundheit sämtlicher nachfolgender Generationen gefährden. Sowohl die neuen Techniken als auch die soziale Versorgung der ausgedienten Arbeitskräfte kosten Geld – staatliches Geld. Aber der liberale Bonner Wirtschaftsminister hielt es nicht für notwendig, die beiden Schlüsselakteure der Reform zum Konsensgespräch nach Bonn zu laden. Parteipolitik ist ihm offenbar wichtiger. Doch Rexrodt kann die neue Energiepolitik, deren Grundlinien schon gut erkennbar sind, nicht verhindern, er kann sie höchstens bremsen. Der Unsinn seines Tuns scheint mittlerweile auch der CDU zu dämmern. Für eine Große Koalition ist ihr aber der Zeitpunkt noch zu früh. Niklaus Hablützel
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