: Verbotene Fische im Geheimfach?
■ EU will mit Kanada um neue Fangquoten für den Steinbutt verhandeln / Das Kriegsgeschrei gehört zum Geschäft
Madrid/Brüssel (taz/dpa) – Der spanische Trawler „Estai“ durfte am Mittwoch den Hafen von Saint John's verlassen, aber noch in der Nacht erhoben kanadische Regierungsstellen neue Vorwürfe. Der Kapitän der „Estai“ habe mit zu kleinmaschigen Netzen viele Jungfische gefangen, in einem geheimen Laderaum seien außerdem 25 Tonnen Fisch gefunden worden, dessen Fang seit Jahren verboten sei.
Die spanische Fischereibehörde protestiert gegen die Vorwürfe. In Brüssel jedoch zeichnet sich seit gestern eine gewisse Entspannung ab. Emma Bonino, die Fischerei- Kommissarin der EU, hat Sondierungsgespräche mit der kanadischen Regierung angekündigt. Sie sollen eine Sondersitzung der Nordwest-Atlantik Fischereiorganisation (NAFO) am 23. und 24. März vorbereiten, auf der die umstrittenen Fangquoten neu ausgehandelt werden müssen.
„Steinbuttkrieg?“ Worüber sich Binnenländler wundern, ist in Spanien Alltag. Die Fischerei ist keine Idylle, fortschreitende Technik, ein enger Weltmarkt und die Überfischung sind die Ursachen der „Kriege“ gegen Marokko, Frankreich, Italien, England, Irland. Die Liste der Gegner ließe sich beliebig fortsetzen.
Im letzten Jahr hatte Norwegen im Rahmen seiner Beitrittsverhandlungen zur EU den Spaniern eine erstmals höhere Fangquote zugestanden. Doch Norwegen blieb der EU fern. Jetzt wird der alte Vorwurf, das Land wolle mit Kanada zusammen ein Kabeljaumonopol errichten, wieder laut. Es geht um viel Geld. Allein der umstrittene Steinbutt bringt jährlich zwei Milliarden Mark Umsatz auf der iberischen Halbinsel.
Wechselseitige Schiffsentführungen sind üblich im alljährlichen „Thunfischkrieg“ mit Frankreich. Anlaß sind die bis zu 20 Kilometer langen Schleppnetze der französischen Fangflotte. Die EU-Norm läßt nur 2,5 Kilometer zu, in Spanien sind sie ganz verboten. Frankreich hat in den letzten Jahren seine Fischflotte mit günstigen Millionenkrediten modernisiert, die Raten müssen abbezahlt werden. Mancher wirft da alle Skrupel über Bord.
Weniger staatlicher Geldsegen und ein auf Artenschutz angelegtes Fischereigesetz führt nach Madrider Lesart zu Wettbewerbsverzerrung. Die spanische Thunfischflotte mit ihren 400 Booten und 5.000 Mann Besatzung angelt Fisch für Fisch mit Hakenleinen. Man machte aus der Not ein Warenzeichen. Seit September letzten Jahres schmückt ein „Nach traditioneller Art gefangen“ die Schwanzflosse der Thunfische. Ausländische Ware wird boykottiert.
Die zu Ende gehenden Ressourcen führen zu absurden Situationen. Ein einziges Exemplar des vom Aussterben bedrohten roten Thunfischs im Mittelmeer, der in Japan als Spezialität roh verzehrt wird, hat den Wert eines Mittelklassewagens – die japanische Flotte hält sich an keinerlei Schonzeiten.
Doch nicht nur wirtschaftliche Gründe stecken hinter den Fischkriegen. Das kanadische Militär, durch rassistisches Gebaren beim UN-Einsatz in Somalia in Verruf geraten, braucht einen Erfolg. Der spanischen Regierung mit ihren endlosen Korruptionsskandalen kommt ein Schuß Chauvinismus sehr gelegen.
Und was hilft besser gegen die Gefahr, vom Sprach- und Nationalitätenkonflikt auseinandergerissen zu werden, als Kriegsgetrommel, mag sich so mancher Politiker in Ottawa denken. Reiner Wandler
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