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■ Minderheitenschutz in OstmitteleuropaSubstanzlose Gesten Richtung EU

Ein Dreivierteljahrhundert tiefer Feindschaft soll in dieser Woche zu Ende gehen. Ungarn und die Slowakei haben zur Europäischen Stabilitätskonferenz in Paris den lang umstrittenen Grundlagenvertrag unterschrieben, der Vertragsabschluß mit Rumänien steht bevor. Der monatelange Druck der Europäischen Union, zahlreiche Briefe und Gespräche führender westlicher Staats- und Regierungschefs haben den Erfolg bewirkt. Zur Belohnung winken ab nächstes Jahr Verhandlungen über einen EU-Beitritt der ostmitteleuropäischen Länder. Kann historische Aussöhnung in einer Region voller historischer Konflikte über Grenzen und Minderheiten so einfach sein? Oder stecken hinter der westlichen Politik in Ostmitteleuropa nur Illusionen? Oder schlimmer, zeichnet sich schon das Versagen dieser Politik wider besseres Wissen ihrer Protagonisten ab?

Der Druck der Europäischen Union, der zu einer Aussöhnung auf dem Papier führt, bewirkt tatsächlich eher das Gegenteil. Rumänien und die Slowakei haben während der vergangenen fünf Jahre immer wieder Beweise einer nationalistischen, minderheitenfeindlichen und antieuropäischen Politik geliefert. Eine spürbare Verbesserung ihrer Situation haben vor allem die Minderheiten nicht zu erwarten. Rumänien lehnt die lokale Selbstverwaltung für Minderheiten des Europarates ab, ebenso wie viele andere bindende Verpflichtungen des Menschenrechtsgremiums, dessen Mitglied es ist. Auf slowakischer Seite hingegen ist Mečiars Kompromiß bei der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages, nämlich die Anerkennung des Rechts auf lokale Selbstverwaltung für Minderheiten, nur Kalkül: Er muß auf internationaler Ebene verlorenes Ansehen zurückgewinnen und von einer repressiven und minderheitenfeindlichen Innenpolitik ablenken. Die ungarische Regierung empfindet ihrerseits die ungarischen Minderheiten in den Nachbarländern und ihre Forderungen als Belastung und Hindernis auf dem Weg in die Europäische Union. Der Verlierer dieser EU-Politik sind die Minderheiten in Rumänien und der Slowakei – nicht nur die ungarischen. Aber vor allem sie werden – wie ihre Proteste der letzten Tage zeigen – in Zukunft eine deutlich radikalere Politik vertreten, deren Konsequenzen neue ethnische Konflikte sein könnten.

Das Interesse in der Europäischen Union, Nationalitätenfragen angemessen und ohne Aussichten auf neue Konflikte zu regeln, ist äußerst gering. Beispiele auf ihrem eigenen Territorium gibt es genügend. Und wenn es um die Erfüllung von Vertragsverpflichtungen geht, können sich die mitteleuropäischen Länder darauf berufen. Keno Verseck

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