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FDP: Schiebt die Brandstifter ab!

■ Aufgrund der andauernden Anschlagserie gegen türkische Einrichtungen fordern FDP-Politiker im Einklang mit Kanther unverzügliche Abschiebung der Täter / Schnoor warnt: Täter stehen noch nicht fest

Bonn/Berlin (taz/AFP) – In der Nacht zum Montag ist erneut ein Brandanschlag auf eine türkische Einrichtung verübt wurden. Diesmal traf es ein alewitisches Gebetshaus in Bonn. Unbekannte warfen eine Flasche mit Brandbeschleuniger gegen ein Fenster im Erdgeschoß der Moscheengemeinschaft. Der Brandsatz zündete jedoch nicht, es entstand nur geringer Sachschaden.

Die seit sechs Tagen andauernde Serie von Brandanschlägen hat inzwischen einen Streit um wirksame Maßnahmen gegen die Täter ausgelöst. Der FDP-Innenpolitiker Burkhard Hirsch und die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz- Jacobsen (FDP), sprachen sich gestern für die rasche Abschiebung von Straftätern aus, die den Bürgerkrieg in der Türkei auf deutschem Boden austragen wollten. Zuvor hatten Außenminister Klaus Kinkel (FDP) und Innenminister Manfred Kanther (CDU) bereits Kurden für die Anschlagserie verantwortlich gemacht. Dagegen hob der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD) hervor, daß es über die Täter noch keine gesicherten Erkenntnisse gäbe.

Herbert Schnoor wandte sich gegen übereilte Abschiebungen. Er sagte, bei manchen Anschlägen könne auch ein fremdenfeindlicher Hintergrund nicht ausgeschlossen werden. Auch der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, warnte davor, nur die PKK hinter den Anschlägen zu vermuten. Es gebe in der Türkei genug Gruppen, die Anlaß hätten, als Provokateure aufzutreten. Özdemir nannte Marxisten ebenso wie Rechtsextreme.

Auch der Interkulturelle Rat in Deutschland warnte gestern vor vereinfachenden Schuldzuweisungen, wie sie Kinkel und andere Politiker geäußert hatten. Dadurch werde ein fremdenfeindliches Klima erzeugt. Der Rat rief Kirchen, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppierungen auf, den Dialog mit Türken, Kurden und Alewiten zu suchen, um vorhandene Spannungen abzubauen.

Für eine unverzügliche Abschiebung von ausländischen Straftätern sprach sich der stellvertretende Vorsitzende der Gewerschaft der Polizei (GdP), Klaus Steffenhagen, aus. Politik und Justiz müßten jetzt „ein knallhartes Signal“ setzen. Die Polizei könne wegen Personalmangels nicht alle gefährdeten Einrichtungen schützen. Innenminister Kanther hingegen appellierte gestern, unmittelbar vor dem kurdischen Neujahrsfest Newroz, an die Länder, gefährdete türkische Einrichtungen durch die Polizei besser zu überwachen.

Auch der Präsident der Türkischen Gemeinde in Berlin, Mustafa Turgut Cakmakoglu, forderte einen stärkeren Schutz durch die Polizei. „Beim Fortdauern der Angriffe gegen Türken und türkische Einrichtungen ist die Gegenwehr nicht mehr auszuschließen, da bei der türkischen Bevölkerung die Schmerzgrenze schon längst überschritten ist“, sagte er. Gegenüber straffällig gewordenen PKK- Mitgliedern forderte er im Namen der Türkischen Gemeinde Berlin eine härtere Gangart: überführte „PKK-Terroristen“ sollten schnellstmöglich in die Türkei abgeschoben werden, um dem Gesichtspunkt der Abschreckung bei den Terroristen Rechnung zu tragen.

Im Gegensatz dazu erklärte der Sprecher des Türkischen Bundes, einer konkurrierenden Dachorganisation in Berlin, Kenan Kolat: „Mit der Abschiebung löst man das Problem nicht.“ Die Diskussion um Abschiebung wirke sich negativ auf das Zusammenleben zwischen Türken und Kurden in Deutschland aus.

Was das Verhältnis von Sunniten und Alewiten betrifft, erklärte Mustafa Turgut Cakmakoglu, er erwarte in Berlin keine Gewaltanwendung zwischen den beiden religiösen Gruppen.

Gänzlich auszuschließen sei eine Eskalation der Konflikte zwischen gemäßigten und extremen religiösen Gruppen allerdings nicht. Die Türkische Gemeinde sei bereit, zwischen beiden Gruppen zu vermitteln. PL/win

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