Streitäxte zu ollen Kamellen

■ Die Große Parlamentsdebatte zur Bremer Kulturpolitik: freudlos, ideenlos, hoffnungslos

„Streitkultur“ – gern wirft Kultursenatorin Helga Trüpel dieses Schlagwort in alle möglichen Debatten. Die Streitkultur nämlich, an der das Bremer Kulturvolk neue Lust gefunden haben soll, zählt Trüpel zu den Errungenschaften ihres neuen Ressorts. Leider hat sich das offenbar noch nicht bis ins Parlament rumgesprochen. Was sämtliche Fraktionen der Bremer Bürgerschaft dort gestern als Kulturdebatte vorstellten, als große Schlußbilanz nach dreieinhalb Jahren verschärfter Kulturpolitik – das war ein müde Palaver. Freudlos, ideenlos – ein rituelles Herunterbeten altbekannter Statements, ohne daß sich ansatzweise eine wirkliche Diskussion ergeben hätte. So scheint es, daß – im Gegensatz zur letzten Landtagswahl – Kulturpolitik im bevorstehenden Wahlkampf keine große Rolle mehr spielt.

Vorstellungen und Konzepte zum Theater, zu den Museen und zur Breitenkultur wollte die CDU-Fraktion in einer Großen Anfrage vom Senat erfahren. Die schriftliche Antwort der Kultursenatorin – eine Kurzfassung ihrer gerade vor 14 Tagen veröffentlichten „Kulturbilanz“ – bemängelte die CDU als bloßen „Sachstandsbericht“: „Ein weites Feld der Konzeptlosigkeit“ offenbarte sich da für den CDU-Kulturexperten Jörg Kastendiek. Trotz der mehrfach aufgelisteten Veränderungen im Bremer Theater, trotz der neuerlichen Zuschüsse für die Shakespeare Company und das Junge Theater beharrte Kastendiek auf seinem Vorwurf des „fehlenden Strukturwandels“: Ihm sei einfach „nicht deutlich, wie die Neuordnung der Theater aussehen soll“.

Für die Grünen beharrte Wolfram Sailer auf den Erfolgen des Kulturressorts. „Erhalten, erneuern, experimentieren“ – all diese drei Vorhaben habe die Senatorin doch wohl zumindest „angeschoben“. Gab es nicht auch „strukturelle Änderungen im Bürgerhaus-Bereich“? Und – ganz grundsätzlich – „eine neue kulturelle Offenheit in der Stadt“? Ist nicht auch die Kunsthalle zu einer Institution gereift, „die sich jetzt neuen Publikumsschichten öffnet“? Wieso allerdings die Toulouse-Lautrec-Schau, zu hundert Prozent privat organisiert, mit ihren 125.000 Besuchern ebenfalls dem ruhmreichen Ressort zugeschlagen werden darf – das blieb Sailers Geheimnis.

So spulten auch die übrigen Fraktionen brav ihr Programm herunter, ohne aufeinander Bezug zu nehmen. Die FDP rühmte die Erfolge ihres Wirtschaftssenators als gelegentlichem Aushilfskulturförderer; die SPD exhumierte gar ihre Kulturpolitik der 70er Jahre. Hilmar Hoffmanns heillos abgewirtschaftetes Schlagwort „Kultur für alle“ kam so mal wieder auf die Tagesordnung – Kulturpolitik ist für Hella Poppe eben immer noch Sozialpolitik. „Kommunikation zwischen Menschen an möglichst vielen Orten in der Stadt“ – das ist die kulturpolitische Vision der SPD für das nächste Jahrtausend.

Vorerst aber wird es dem nächsten Kulturressort wohl wieder mal ans Portemonnaie gehen. Eine Aufstockung des Bremer Kulturetats hält die SPD „auch nur schrittweise nicht für möglich“. Das Kulturressort der Zukunft müsse daher „eine Förderungseinrichtung mit Servicecharakter“ werden: „nicht Versorgung, sondern Moderation“ – eine Art behördlicher Vermittlungsagentur. Auch Senatorin Trüpel widersprach nicht. „Eine Mischfinanzierung a lá Toulouse-Lautrec“, das stelle „die Zukunft der Kulturfinanzierung“ dar. So wird die kommende Bremer Kulturpolitik wohl immer weniger eigenes Geld ausgeben können und sich nach Sponsoren, Mäzenen und andere Gönnern ausrichten – für die CDU wahrscheinlich auch kein Problem: Kastendiek hält das derzeitige Ressort ohnedies für „fremdbestimmt“ durch die Vorgaben des Wirtschaftsressorts und des Gesamtsenats. tw