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Psychiatrie will keine Junkies

■ Fachtagung fordert die Vernetzung der Versorgungssysteme /Fünf Prozent fallen durch alle Netze

Menschen, die drogensüchtig und psychisch krank sind, fallen häufig durch die Raster getrennter Versorgungssysteme. Das belegen die Ergebnisse der Tagung „Psychose und Sucht“, an der am Donnerstag 250 Fachleute teilnahmen. Wir sprachen mit Anton Bartling, Leiter der Bremer Drogenberatungsstellen und Mitinitiator der Tagung.

Wieviele Drogensüchtige in Bremen weisen psychische Erkrankungen auf?

Zahlen kann man nicht nennen. Der Gastreferent und Mitarbeiter der Uniklinik Hamburg Eppendorf beziffert die Anzahl der allgemein Süchtigen mit gravierenden psychischen Störungen auf bis zu 60 Prozent.

Sind die Psychoseerkrankungen Folge oder Ursache der Drogensucht?

Es kann sein, daß der Patient versucht, eine vorhandene psychische Erkrankung durch den Suchtstoff quasi selbst zu behandeln. Möglicherweise können psychische Erkrankungen aber auch durch den Drogenkonsum zum Ausbruch kommen. Denkbar ist auch, daß beides gleichzeitig auftritt.

Was passiert in Bremen mit solchen Menschen?

Wir haben zwei Versorgungssysteme, auf der einen Seite das für psychisch Kranke, auf der anderen das für Suchtkranke, das zusätzlich für Suchtkranke von legalen und illegalen Drogen getrennt ist. Die stark Auffälligen fallen oft durch dieses getrennte Versorgungsraster durch. Sie wandern von einer Einrichtung zur andern, werden aber oft vom Hilfesystemen nicht wirklich erreicht und stehen mehr oder weniger auf der Straße. Wir gehen davon aus, daß das etwa 5 Prozent sind.

Kann ein Drogensüchtiger aus der Psychiatrie geschmissen werden?

Ja. Die müssen sich zwar bei einem Notfall, also beispielsweise akuter Suizidgefährdung, drum kümmern, aber sobald das einigermaßen klar ist, wird der entlassen. Typisch war, daß die Tagung vom Suchtbereich ausging, also von uns und Kollegen aus dem legalen Suchtbereich. Der Psychiatriebereich war nur durch die Suchtabteilungen verteten, der gesamte allgemeine Psychiatriebreich nicht, obwohl alle eingeladen worden waren. Da gibt es nach wie vor große Berührungsängste und institutionelle Schranken, sich mit Süchtigen auseinanderzusetzen.

Und Junkies mit psychotischem Schub sind in den Wohnprojekten der Drogenhilfe nicht tragbar?

Stark auffällige Leute, die beispielsweise überhaupt nicht in der Lage sind, an Gruppengeschehen teilzunehmen, fliegen natürlich raus. Allerdings gibt es von Suchtseite aus starke Bemühungen der Integration. Wenn wir davon ausgehen, daß vielleicht 40 Prozent unter Doppeldiagnosen fallen, sind die ja weitgehend im Behandlungssystem drin. Aber für jene fünf Prozent gibt es nichts. Wir überlegen, durch Veränderungen von Konzeptionen für diese Leute ein Angebot vorzuhalten. In Holland gibt solche Projekte bereits.

Hier haben die 5-Prozent-Leute zu vielen Stellen Kontakt und beschäftigen viele Menschen in ihrer Verrücktheit, aber es ist keiner in der Lage, kontinuierlich mit ihnen zu arbeiten. Viele in der Psychiatrie denken, Süchtige kann man nicht behandeln. Das ist falsch, aber da kommt was in Bewegung. Denn es werden auf anderen Ebenen auch außerhalb der Psychiatrie Erfahrungen gemacht, daß es oft nur darum geht, die Leute zu stabilisieren. Also einen geregelten Gebrauch ihres Suchtmittels hinzukriegen und den Alltag leichter zu machen.

Wie müßte die Kooperation der Versorgungssysteme aussehen?

Da sind wir zur Zeit noch nicht. Wir haben uns jetzt erstmal mit denen, die im abulanten Psychiatriebereich tätig sind, zusammengeschlossen und zusammen diese Fachtagung durchgeführt. Wir wollen als Gruppe weiterarbeiten und nicht darauf warten, daß der letzte in der Psychiatrie aufspringt. Wir werden versuchen, eine WG konzeptionell so zu ändern, daß bestimmte Leute da reinkönnen, um mit diesen Erfahrungen mit der Psychiatrie die Auseinandersetzung zu führen. Fragen: Dora Hartmann

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