Äußerst zwielichtig

■ betr.: „Dow kriegt Buna“, taz vom 14. 3. 1995

[...] Die angeführte Argumentation der Gutachter, daß der Dow- Konzern nur die Untergrenze der Arbeitsplatzzahlen angegeben habe, da er sonst Vertragsstrafen zahlen müsse, ist doch recht zweifelhaft, insbesondere da nicht über deren Höhe berichtet wird. Wenn bei Angabe einer geringeren Beschäftigtenzahl zum Beispiel der Zuschlag offensichtlich anders vergeben worden wäre, sich das Geschäft aber trotz Vertragsstrafe betriebswirtschaftlich oder anderweitig (zum Beispiel Ausschalten von Konkurrenz) lohnt, sind diese Strafen eben nur ein Kostenfaktor von vielen.

Auch die Arbeitsplatzargumente der Gutachter sind äußerst zwielichtig. Beim Dow-Konzept sei bei „einer insgesamt stabilen Unternehmens- und Marktentwicklung durchaus ein Zuwachs an Arbeitsplätzen (1.000 ?) zu erwarten“. Die um tausend höhere Zahl des Belegschaftskonzepts sei „eher eine optimistische Obergrenze“, von der „zu befürchten sei“, daß sie „im Laufe der Jahre“ bei ungünstiger Marktentwicklung nach unten korrigiert werden müsse. Abgesehen davon, daß das Ganze eh arg schwammig klingt, wird die Frage, ob denn beim Dow-Konzept bei ungünstiger Lage nicht auch Arbeitsplätze verlorengehen bzw. bei stabiler Lage nicht „im Laufe der Jahre“ auch beim Beschäftigtenkonzept eine Steigerung möglich sein wird, nicht gestellt.

Es scheint also mal wieder so, als ob hier eine der von anderer Seite oft geschmähten „ideologisch begründeten“ Entscheidungen getroffen wurde. Einer kapitalistischen Variante wird mal wieder der Vorzug vor einer Übernahme durch die dort Arbeitenden gegeben. Der an anderer Stelle häufig geäußerte Appell, alle müßten mehr Eigenverantwortung übernehmen, scheint hier nicht zu gelten. Schließlich hat die Eigenverantwortung hier ja den Anschein von Sozialismus. Und den hat unsere Familie (Brüder und Schwestern) schließlich überwunden. Wo kämen wir hin, wenn das alle machen würden? – Ja wo wir dann wohl hinkämen! Heiko Thiele, Celle